Schöner Oper - selten gehört
Foto: Thomas Reheis
Peter Tschaikowsky [1840-1893]
Die Zauberin
Tscharodeika - The Enchantress
Oper in vier Akten
Libretto von Modest Tschakowsky
nach dem Drama von Ippolit Schpashinski
in russischer Sprache
Uraufführung am 20.10.1887 in St. Petersburg am Marinsky Theater
unter Leitung des Komponisten
INHALTSANGABE (Zweiter Teil)
Dritter Akt:
21
Fürst Nikita hat Kuma in ihrer Wohnung besucht. Der Souverän hält seine Augen niedergeschlagen und schaut im Ärger still vor sich hin. Offenbar liegt es nicht in der Macht der Umworbenen, ihn weiterhin zu erfreuen. Sie weiß nicht, wie sie ihn aufheitern soll! Kuma verstehe seine Wünsche nicht oder will sie nicht verstehen, behauptet der hohe Gast. Ohne sie sei die Welt kalt für ihn. Seine Gedanken gehen verschlungene Wege und seine Stimmung sei nicht die beste. Trotz der Macht, die ihre Anziehungskraft für ihn habe, vergaß er Heim und Familie. Sein Gewissen hat ihn im Stich gelassen. Um Himmelswillen, Fürst, das ist doch nicht Kumas Schuld! Wer hat sich wem aufgedrängt? Hört er das Volk nicht reden, dass es vom Vizeregenten nicht korrekt sei, Nastasja den Hof zu machen? Es genüge, wenn sie ihn diesen Zustand beklagen lässt. Natürlich sei es eine große Ehre für sie, wenn der Fürst zu ihr kommt, aber sie muss ehrlich gestehen, dass die Situation künftig ein bisschen schwierig sein wird. Der Teufel gehe gerüchtestreuend umher und eines Tages werden verleumderische Meldungen die Fürstin erreichen.
Genug, sie soll sich mit solchen Gedanken nicht befassen, sondern herkommen und sich neben ihn setzen. Unwillig nimmt Kuma neben ihm platz. Der Fürst zieht sie leidenschaftlich zu sich heran. Ja, näher kommen soll sie, ihr Körper habe eine magische Anziehung auf ihn. Keine Kontrolle habe er mehr über sich und sie soll ihn um etwas bitten. Was immer es auch sei, er werde es nicht verweigern. Möchte sie, dass er sie mit Perlen bedecke oder unzählige Goldmünzen auf sie rieseln lasse? In feine Seide darf sie sich hüllen und in kostbare Pelze wird er sie kleiden. Sie sei mit Schönheit ausgestattet und den Reichtum gibt er dazu. Das Schicksal hat entschieden. Sie wird sein eigen und sie muss ihn lieben! Nikita versucht, sie zu küssen, doch Kuma dreht den Kopf weg und sitzt da wie ein Stein.
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Sind seine Worte Plage für sie? Er stützt den Kopf in seine Hände. Sie soll sagen, dass sie ihn nicht liebe. Kuma ist erschreckend ehrlich. Sie weiß nicht, was sie mit ihm machen soll. Zuerst nimmt er eine bedrohliche Haltung ein und dann ist er dem Weinen nahe. Sie bemitleide ihn mit ganzer Seele, aber mit Liebe habe das nichts zu tun. Bereits vor ihm habe sie einem anderen ihr Herz geschenkt, doch der liebe Freund sei weit weg. Sehnsüchtig denkt Kuma an den jungen Prinzen. Wo ist der Geliebte? Mit eifersüchtigen Blicken schaut Nikita sie an. Das Wort ‚Liebling’ hat sie gegurrt. Wer ist es? Wer? Sie soll ihm sofort die Wahrheit sagen! Er sei mächtig genug, andere in Drangsal zu bringen, aber Macht über das Schicksal habe der Fürst nicht. Wen sie liebt, wird er herausfinden! Wahrscheinlich, so dünkt es ihn, hat er noch vor wenigen Stunden die Honiglippen Nastasjas geküsst, aber ihn rühre sie nicht an. Als liebevolle Gewohnheit, um für lustige Stimmung zu sorgen, erzählen die Gäste manchmal blödsinnige Geschichten über Nastasja. Es steckt keine böse Absicht dahinter. Der Fürst soll zur Kenntnis nehmen, dass sie ihn nicht geküsst habe, denn er sei edler als andere und kein unverfrorener Kumpel für sie. Sie lasse sich nicht zur Sünde heranwinken, weil sie sich dann schämen müsse. Sie hoffe auf Schonung, wenn sie mit ihm nicht so frei tut, wie mit anderen, denn er sei der Vizeregent.
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Nun steigt in Nikita die kalte Wut hoch. Er wird sie zerquetschen wie eine Fliege! Er soll sie ruhig zerstören, bei Tyrannen sei das so üblich, deswegen verüben sie auch nichts Schlimmes. Niederknien wird sie vor seiner Autorität. Sie wird die gewünschte Leistung nicht erbringen! Zerdrücken wird er ihren Eigensinn. Kuma bestreitet die Erfolgsaussicht. Nachdem Nikita erneut versucht, sich an sie heranzudrängen, nimmt sie das Brotmesser vom Tisch und setzt es sich an die Kehle. Sie sei schneller tot, als er es sich vorstellen kann. So, jetzt weiß er es! Der Fürst geht, kündet aber an, dass sie die seine werden wird, denn er sei nicht bereit, abzugeben.
So ist es, wenn man im Überschwang der Gefühle falsche Signale setzt, liebe Nastasja! Sie wird im vierten Akt bitter dafür bezahlen müssen. Den Teufel hat Kuma sich eingekauft. Hasserfüllt drangsaliert er ihre ganze Seele. Wenn der Fürst gewusst hätte, wer der Liebling ist, der ihm vorgezogen wird, wäre die Überraschung perfekt gewesen. Jeder würde lachen zu seines Herzens Zufriedenheit. Soll ihrer Seele Verlangen nach dem Sohn nun verzagen? Es würde ihr Vergnügen bereiten, seine boshafte Pein zu beobachten.
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Ihre Freundin Polja spricht zur späten Stunde noch bei ihr vor. Sie hat Neuigkeiten, die aber keineswegs angenehm klingen. Schlimmes hat sie herausgefunden. Die Fürstin hat das Gerücht von den Besuchen des Gemahls im Gasthaus an der Oka erreicht und der junge Prinz habe geschworen, den Eindringling in seine Familie zu töten. Kuma ist fassungslos. Foka kann nur bestätigen, was Polja erzählt. Als Hexe wurde sie vor der Fürstin dargestellt, die mit einem Zaubertrank den Gemahl zu sich drehe. Ihren Mann versuche Kuma ihr wegzunehmen. Wieso konnte er solchen Unsinn glauben? Die Fürstin habe ihn angefleht, sie vor der teuflischen Hexe zu beschützen und den Vater vor der verderblichen Macht der Zauberin zu bewachen. Foka und Polja raten dringend, Türen und Fenster für die Nacht zu versperren. Gottes Wille werde sie beschützen, aber sie solle trotzdem sorgfältig Obacht geben. Für beide gibt es zum Abschied Umarmung und Küsschen, aber sie sollen mit niemandem über ihre Mutmaßung reden. Was wird sie tun, wenn der junge Prinz in der Nacht kommt, um sie umzubringen? Sie wird ihn willkommen heißen! Ist sie wahnsinnig geworden? Der Onkel und die Freundin gehen und Kuma setzt sich ans Fenster und versinkt in Gedanken.
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So verhält es sich also! Er selbst hat geschworen, sie zu ermorden. Er folgt den Wünschen seiner Mutter und ist hergekommen, sie zu zerschlagen. O Gott, ihr Schicksal ist furchtbar! Kuma hat Geräusche gehört. In Alarmbereitschaft richtet sie sich auf. Unweit ihres Fensters nimmt sie zwei Schatten wahr, die leise miteinander sprechen. Sie wollen zunächst kontrollieren, ob sie allein im Haus sei, dann überraschend angreifen und sie im Schlaf fertigmachen. Ihre Überreste sollen ins Wasser geworfen werden. Die Bedrohte bläst die Kerze aus, damit die beiden Eindringlinge denken, dass sie schläft. Das Mondlicht scheint durchs Fenster. Die Männer wenden sich jetzt der Veranda zu und sind dabei, das Schloss aufzubrechen. Der Versuch, unbemerkt zu entfliehen, dürfte fehlschlagen. Kuma legt sich ins Bett und zieht die Vorhänge zu. Nur jetzt nicht kopflos werden! Gott möge sie erretten! Juri kommt herein, dicht gefolgt von Shuran, der eine Laterne hält und leuchtet. Wo hält sie sich versteckt? Wo immer auch die Schlange herumkrabbelt, er wird sie finden und ihr für immer ein Ende bereiten. Den Dolch hält er in der erhobenen Hand. Shuran erwägt, ob sie vielleicht im Steinraum auf dem Hof zuerst nachsehen sollten. Ach was, sie liegt bestimmt im Bett? Shuran soll hineinleuchten!
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„Guten Abend mein süßer Prinz!“ Zu so später Stunde kommt er sie besuchen? Kuma hat sich auf den Ellenbogen gestützt und nestelt an ihrer Halskette. Überwältigt von so viel Schönheit auf einem Fleck spielen in Juri angestammte Instinkte verrückt. Mit der Klinge bedeckt er seine Augen und will sich rückwärts zur Tür davonschleichen. Blitzschnell nutzt Kuma seine Verwirrung, springt mutig auf und hält ihn am Ärmel fest. Wohin will er gehen? Ist er erschrocken vor der Zauberin oder vor sich selbst? Oder bereut er seinen Schwur? Sie sei nicht ohne Schutz. Das Volk würde auf ihrer Seite stehen und aus dem Geisterreich würden man auf Anforderung unverzüglich Dienerschaft herbeirufen, um Gefahr von sich abzuwenden, führt die Beherzte aus.
Juri stellt klar, dass er sich nicht herangeschlichen habe, sondern ungeniert in ihr Haus gekommen sei. Jeden, der ihm im Wege gestanden wäre, hätte er sofort niedergestreckt. Er tat einen Schwur und er sei genötigt, diesen zu halten. War sie es nicht, die Zwietracht und Kummer in ihre Familie gebracht hat? War sie es nicht, die sich zwischen Vater und seine Mutter gestellt hat? Ihre Seele habe sie auf Streit eingestellt. Kuma bemängelt, dass er nur halb informiert sei. Dem Vizeregenten habe sie einen Zaubertrank eingeschenkt, der ihn ihren Wünschen gefügig machen soll. Mit teuflischer Hexenmacht habe sie seinen Willen außer Kraft gesetzt. Ein ironisches Lächeln begleitet Kumas Ausführungen. Die Verführerin soll nicht spotten, damit der Ärger in seiner Brust sich nicht aufrichte. Er kam her, eine Hexe zu bestrafen. Dann soll er aber doch zuerst einmal zuhören, was die Hexe zur Sache zu sagen hat und nicht blind unsinnigen Lügengeschichten Glauben schenken. Shuran merkt, dass er überflüssig geworden ist und entfernt sich taktvoll.
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Juri sei nicht der einzige, der sie bedrohe und sie bedaure es zutiefst, dass er hohlen Verleumdungen geglaubt habe, ohne sie vorher anzuhören. Für ihn sei es schwer anzunehmen, dass Vater ihr aus freien Stücken nachstelle, um sie ins Verderben zu stürzen. Nun, in letzter Zeit war er fast jeden Tag hier, versuchte sie zur Sünde zu verleiten und drohte mit Sanktionen, falls sie nicht nachgebe. Zuerst flehte er, aber ihre Antwort war immer „njet, njet, njet.“ Er war von ihrem Eigensinn dermaßen erbost, dass er einen Tobsuchtsanfall bekam. Darauf ergriff sie das Messer und würde es sich ins Herz gestoßen haben, um seinen Wünschen nicht folgen zu müssen. Schöne Feen-Geschichten erzählt sie da! Gern würde er sich beschwichtigen lassen, aber er kann ihr nicht glauben, weil ihr Report zu phantastisch klinge. Alles ist wahr, Gott ist ihre Weisheit und sie hat ihm Leib und Seele anvertraut. Ein einsamer Mensch sei sie. Ein Leben lang sah sie sich genötigt, Angst und Tortur zu widerstehen. Tödlich erschrocken war sie von seiner Absicht gewesen und jetzt soll er ihr die Hand geben. Diese ergreift sie, um sie mit Küssen zu bedecken.
Der Opernbesucher beobachtet, dass Kuma nun in die Offensive geht. Der Prinz versucht, seine Hand zu befreien und sieht, dass die Bedauernswerte weint. Genug, sie soll damit aufhören! Er glaube ihr! Während Kuma sich erhebt, sieht sie Juris Dolch auf dem Boden liegen. Schnell hebt sie ihn auf und gibt ihm die Mordwaffe. „Hier ist der Dolch, mein Prinz, mein fatales Los!“ Was denkt die Verängstigte von ihm? Die Waffe hielt er nur zu seiner Verteidigung dabei und er nimmt sie nun wieder an sich.
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Kuma setzt sich zu ihm. Sie habe ihm noch nicht alles erzählt. Sie fühle sich schuldig, aber ausschließlich an ihm. Ihre Sünde sei zwar nicht furchtbar, aber groß. O wie soll sie es ihm nur erzählen? Die Worte wollen ihren Mund nicht verlassen. Juri fordert sie auf, ihn ihr Geheimnis wissen zu lassen. Er möchte alles erfahren. Sie habe nicht mehr die Kraft es zu verstecken und wird ihm einiges aufdecken. Er möge zuhören. Ohne Anzeichen von Spannung, ihr Geheimnis nun zu erfahren, wird er trotzdem unruhig. Sie ist erschrocken, dass ihre Worte sein Herz nicht erreichen. Ist er geneigt, ihre Seele zu fesseln, ist er willens, ein glühendes Herz zu bannen? Kuma streift ihn mit einem langen Blick voller Liebe und greift erneut nach seiner Hand. Schon seit einiger Zeit hat sie auf ihren Falken heimlich einen Blick geworfen. Es weiß niemand, denn vor jedem hat sie ihre Gefühle versteckt. Ihr Auge konnte sie nicht von ihm abwenden und den Atem hat sie angehalten vor Bewunderung.
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Gut, wenn es weiter nichts ist! Es ist jetzt Zeit für ihn, nach Hause zu gehen. Er soll nicht gehen, er habe geflucht, ihr das Herz mit dem Dolch herauszureißen. Nun will sie ihm ihre ganze Seele geben. Nastasja erklärt ihm ihre Liebe. Es sei richtig, dass er schwor, die Zauberin zu töten, weil er falschen Gerüchten nachging. Nun weiß er, dass ihre Seele klar ist wie ein prächtiger Frühlingstag. Er sei nun ihr Beschützer vor allen Feinden. Juri zieht die Hand weg, nachdem sie erneut versucht, diese zu küssen. Verschämt faltet sie die Hände über ihrer Brust. Von den brennenden Tränen der Einsamkeit soll er sie erlösen. Juri gibt vor, er fühle Trauer mit seiner ganz Seele, aber jetzt müsse er sie verlassen. Kuma ist hartnäckig, sie hat nicht begriffen, dass sie einen Korb bekommen hat. Warum will er sie verlassen? Seine Gegenfrage lautet, warum sie eine derart befremdliche Konversation starte. Der Falke soll doch verstehen, sie habe so viel gelitten und stand bereits am Rande ihres Grabes. Der Falke schaut mitleidig zu ihr herab. Die Seele hat sie ihm aufgedeckt, ihr Herz konnte sie nicht länger zurückhalten. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, er hätte sie mit dem Messer niedergestreckt und seinen Schwur gehalten. Grausam hat er ihre Erwartungen enttäuscht. Er soll wohl leben und Gott möge ihn beschützen. In Unehre lässt er Nastasja zurück. Er soll jetzt abhauen.
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Juri behauptet, dass er Mitleid mit ihr empfinde. Das sei nicht nötig. Es würde sie nur unnötig quälen. Nun fängt sie herzzerreißend an zu schluchzen. Die Zauberin zieht wirklich alle Register. Es sei jetzt genug. Die Taube soll ihre Augen nicht durch Tränen verfinstern. Es sei nicht nur Mitleid was ihn gebannt hält. Was ist es noch? Der geliebte Prinz soll es ihr schnell erzählen! Sie bändigte den Ärger in ihm mit dem wärmenden Glanz ihrer Augen in der schweren Stunde ihres Schicksals. Eine unerwartete Hitze spürte er in seinem Blut. Er wünschte mit ihr davonzurennen, weit weg vom bösen Volk. Liebe hat nach seiner Seele gegriffen wie eine stürmische Woge. Kuma hält das Paradies in ihren Armen. Zusammen werden sie alles vergessen. „Golubka! Rodnaja“ - meine Taube, mein Liebling! Durch fortwährende Wiederholung der immer gleichen Phrasen gelingt es den beiden, ihren spärlichen Wortschatz zum Liebesduett auszuweiten. Das Opernpublikum ist ein wenig befremdet und dankbar, dass der Vorhang zum dritten Akt fällt, mit berechtigter Besorgnis schaut es dem vierten entgegen.
Vierter Akt:
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Ein wilder Forst in der Nähe des Oka-Flusses bildet das Ambiente für das tragische Geschehen des letzten Aktes. Ein wunderlicher Einsiedler hat hier seine Behausung. Kudma hält die Hand ans Ohr. Hat er soeben nicht ein Jagdhorn vernommen? Wen lockt es her zu seinem Sumpf? Er hört das wilde Geschrei von Jägersleuten. Welche Teufel haben sich diesen Platz ausgesucht? Verflucht sollen die Störenfriede sein, die Fersen mögen ihnen wegrutschen und kopfüber sollen sie in den Abgrund stürzen. Der Griesgram macht eine drohende Gebärde und geht dann ängstlich in seine Wohnhöhle, um sich vor unwillkommenen Blicken unsichtbar zu halten.
Shuran tritt mit seinen Gefährten auf. Es sind Fallensteller und Jäger, die einen Moment verweilen, um auf den jungen Prinzen zu warten. Mit seinen Hunden ist er bald zur Stelle. Juri bedankt sich bei seinem Gefährten, dass er ihn logistisch unterstützt, die Geliebte in Sicherheit zu bringen. Er fand weitere verlässliche Leute, die Kuma mit dem Boot hierher bringen werden. Der Sinn dieser Maßnahme erschließt sich dem Opernbesucher, wenn er erfährt, dass der Fürst Kumas Anwesen in Brand stecken ließ. Des Prinzen Begründung ist seine große Liebe zu Kuma, die Schutzlose dieser Strapaze auszusetzen. Dem Freund wird er seinen Service nicht vergessen und Shuran ist glücklich, dem Prinzen gefällig sein zu können. Trotzdem macht er ihm den Vorschlag, sein Vorhaben zu vergessen, weil es undurchführbar sei, mit der Geliebten wegzurennen.
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Seine Taube soll er verlassen? Welchen Gedanken hat Wanja da soeben geäußert? Er liebt sie mehr als alles andere auf der Erde. Die Küsse ihrer heißen Lippen bringen sein Gesicht zum Glühen. Leidenschaftliches Liebesgeflüster hätscheln seine Ohren und hallen in seiner Seele wider. Sie hat ihn aufgefordert, mit ihr zum Altar zu schreiten. Weitere Unannehmlichkeiten aller Art würden über sie hereinbrechen, wenn er sie nicht verstecken würde – dorthin, wo sie niemand findet. Sie ist ihm lieber, als alles andere auf der Erde. Juri hat jeden Bezug zur Realität verloren. Ein Jäger kündet, dass ein Bär in die Falle gegangen sei. Alle Anwesenden verschwinden, um den Bären in Besitz zu nehmen. Die Szene wird jetzt für den Auftritt der Fürstin benötigt.
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Eupraxia hat sich als einfache Reisende gekleidet und befindet sich in der Begleitung von Paissi. Das macht ihren Auftritt in der Wildnis zwar nicht glaubwürdig, aber doch ein bisschen erklärbar. Hier finde sie den Zauberer Kudma, in der Magie wohl bewandert. Er kann ihr alle Arten von Getränken anbieten, auf den Zweck abgestimmt und unterschiedlich dosiert.
Da ist der Wundertäter! Gerade kommt er aus der Höhle, um ein bisschen in die Sonne zu blinzeln. Paissi möchte nicht gesehen werden und versteckt sich ängstlich hinter der Fürstin. Diese gibt vor, nach einem Zaubertrank kein Verlangen zu haben. Sie möchte Kudma, den er ihr als besonders kompetent beschrieben habe, auffordern, mittels Zauberkraft den Teufel Kuma zu bannen und von ihrem Sohn wegzubewegen. O, wäre Paisssi doch nicht mitgekommen. Er zittert am ganzen Körper und rennt weg.
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Die Fürstin geht vom Hügel hinunter auf Kudma zu, der sich auf seine Krücke gelehnt, vor seine Höhle begeben hat und wartet. Weswegen ist sie gekommen? Wegen eines Giftes! Ohne Umschweife kommt man zum Geschäft. Ein grauenvolles Gift kann die listenreiche Frau hier finden, denn dieser Wunsch sei in ihr. Wer lockt und verführt die Seele? Wer taucht in den Abgrund von Leidenschaften? Wer sät das Böse in die Welt? Es sind immer die Frauen!
Sie sei nicht gekommen, um das Knurren eins alten Hundes zu hören. Wer ist er schon in seiner absurden Bösartigkeit im Vergleich zu ihr. Ein Funke des Feuers, welches ihre Seele verschlingt, würde ihn zu Splittern zermalmen wie der Blitzschlag eine alte Eiche. Gierig sei er und böse und bereit, alles mit seinem Gift zu überfluten. Allein die Gier nach Schätzen sei das Motiv, andere zu verderben. Diese Wesensart der Fürstin kennt der Opernbesucher noch nicht. Kudma ist jedoch nicht in Verlegenheit zu bringen. „Ich werde dich in einen Wolf verwandeln“, erklärt er lakonisch. „Schwachsinn, kein anderer wird ihm soviel Gold bringen.“ Sie lässt ihn einen Blick in ihre Handtasche werfen. Missmutig und gefräßig schaut Kudma auf die Münzen. Schon seit langer Zeit ist ihm der Anblick des Goldes entschwunden und er hat vergessen, wie es klingt. Tatsächlich glimmt es wie die Sonne. Hat sie noch mehr davon? Seine Augen, die im Laufe der Zeit dämmrig geworden sind, erblicken nur die Gestalt von Moor und schnuppern den Qualm des Feuers. Ach, weshalb ist sie eigentlich hergekommen, er hat es vergessen. „Wegen des Giftes!“ „Welche Beschaffenheit und welche Qualität steht an?“ Sie benötige ein Gift, welches die Adern wie kochendes Zinn durchläuft. Es soll bis zu den Knochen vordringen und in feurigen Torturen den weißen Körper schwarz machen. Nachdem der Balg geborsten ist, sollen die Augäpfel aus den Höhlen treten. Gibt es bei ihm ein solches Gift zu kaufen? „Takoje jest“ Ja, es steht zur Verfügung. „Ha ha ha!” Mit heftigem Feuer wird es wie ein Haufen Schlangen zischen. Es wird kochen, brennen und das Gebein durchnagen. Von der Wirkung des Giftes besessen, stimmen Fürstin und Magier ein Duett an, welches in immer neuen Varianten ihre Vorfreude auf den zu erwartenden Genuss kundtut. Es wird zischen, es wird brennen und die Frau stirbt in grausamen Qualen... Es kann losgehen. Die Fürstin soll ein bisschen warten. Er geht jetzt in sein Labor, um die Mixtur zusammenzustellen. Darf er das Gold noch einmal sehen? Sie soll es keinem zeigen, um beim anwesenden Volk keine Verlockung zu wecken. Die Fürstin denkt nicht daran zu warten, sondern folgt Kudma in die Höhle.
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Ein Boot hat am Ufer der Oka angelegt. Es ist Kuma mit ihrer Belegschaft aus ihrem Gasthaus, Die Ausreißerin entsteigt mit einem Bündel an der Hand der Barkasse. Die übrigen sind mit dem Entladen des kleinen Schleppers beschäftigt, gehen mit den verschiedenen Dingen die Schlucht entlang und platzieren alles auf dem Hügel. In Erstaunen versetzt stellt das Opernpublikum fest, dass es sich bei dem Transportgut um Kumas Umzug handelt. Sie bedankt sich bei ihren Leuten für die Hilfe. Lukasch ist traurig, weil es wahrscheinlich das letzte Mal ist, dass er die Herrin bedienen darf. Ohne Kuma werden ihre Leute sich wie Waisenkinder fühlen. Sie kennen ihr bedauernswertes Schicksal und sollen dazu nichts mehr sagen! Sie wollen noch in der Nähe bleiben bis Juri die Frau seines Herzens in Empfang genommen hat. Kumas Herz quillt vor Sehnsucht über. „Gde sche ti, moi schelanni? - wo bist du mein einzig geliebter Juri? Sie sei hier und jetzt soll er schnell kommen! Ihr Liebeslied schallt über den Fluss und das Echo hört man im Wald. Das Licht ihrer Seele, ihre Schönheit, und die Freude ihrer Augen sei er. Sie brenne vor Ungeduld, ihn zu sehen und ihn an ihr feuriges Herz zu pressen. Ohne ihn sei ihre Seele ermattet vor Kummer. „Komm, komm schnell und zusammen werden wir entfliehen!“ Weit weg von hier wollen sie sich niederlassen und Ungemach und alles Schlimmere vergessen. Ihr Falke soll kommen, denn er ist Schönheit pur und die Freude und das Licht ihrer Seele. Sie brenne vor Ungeduld, ihn zu sehen.
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Nicht Juri, sondern die Fürstin hat ihre Stimme gehört und kommt aus der Höhle. Mit Eifersucht ist sie geschlagen beim Anblick der Nebenbuhlerin. Das Schicksal selbst hat sie in ihre Hände gespielt. Zu früherer Zeit hat sie die Zauberin einmal gesehen und nun sofort wiedererkannt. Sie geht zu Kuma: „Guten Tag! Wohin geht das liebe Kind und wie ist es allein in den dunklen Wald gekommen?“ „Das Gehölz lag zufällig an ihrem Weg.“ „Und woher kommt die Fragenstellerin?“ „Von einem entfernten Platz machte sie ihren Weg. Zum Pechersk-Kloster führen sie ihre Schritte.“ Kuma erklärt, dass ihre Freunde bald kommen werden. Der Tag war schwer für die Jäger. Sie selbst warte darauf, dass sie abgeholt werde. Sie habe Sachen dabei. Plane sie etwa wegzulaufen? Mit solch einer Schönheit wie sie es sei, würde sogar ein Prinz mit ihr flüchten wollen. Nun, dann wollen wir hier gemeinsam auf unseren geliebten Prinzen warten.
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Kuma erklärt, dass sie von einem harten Schicksalsschlag getroffen wurde. Die Gesprächspartnerin hat sich schon gleich gedacht, dass mit ihr etwas nicht stimmen würde. Sie sei blass vor Müdigkeit und zittere am ganzen Körper. Sie habe tatsächlich Stress. Falls sie einen Becher oder eine Schöpfkelle dabei hat, solle sie ihr die Gegenstände geben. In der Nähe habe die Aufmerksame eine Quelle gesehen. Sie werde hingehen und frisches Trinkwasser schöpfen. Kuma kramt in ihrem Handgepäck. Ist das Mädchen aber wohlhabend! Der Becher ist aus purem Silber. Hat sie etwa einen reichen Verehrer? Die Quelle in der Nähe soll eine Wunderquelle sein und habe schon vielen geholfen. Das Wasser schmecke ein bisschen herb und salzig, aber es zerschmettere alle Sorgen und bringe unverhofftes Glück.
Die Hilfsbereite nimmt den Becher, geht zur Quelle und schöpft Wasser. Mit dem Rücken steht sie zu Kuma, die deshalb nicht bemerkt, dass dem Trinkwasser Gift beigemengt wird. Das Täubchen soll einen kräftigen Schluck nehmen, es wird sie von der Angst befreien und sie aller Sorgen entheben. Die Arglose trinkt den Becher in einem Zug leer. Kudma hat vom Eingang seiner Höhle den Vorfall beobachtet. Ein teuflisches Lachen erklingt und er verschwindet sofort wiederin seinem Loch. Welches schaurige Gelächter hat Kuma eben gehört? Sie lässt den Becher fallen. Bestimmt war es eine Adlereule, die gelacht hat. Es gibt viele Schrecken hier in diesem düsteren Morast.
Jagdhörner erschallen, Jäger streifen umher. Die Fremde erklärt, dass sie jetzt lieber gehen möchte, denn durch die Jagdhunde möchte sie nicht in Bedrängnis geraten. „Lebewohl, mein Kind, du wirst dich noch an mich erinnern.“ Die Fürstin steigt auf den Hügel und schaut in stiller Erwartung böse auf Kuma herab, die ihr aber keine weitere Aufmerksamkeit zollt.
38
Endlich erscheint Juri. In tiefer Angst hat er sich nach ihr gesehnt. Die ganze Zeit habe sie auf ihn gewartet. Unter dem furchtbaren Schlag, den der Vater ihr zugefügt hat, war er tief beunruhigt, und ist nun froh, dass die Flucht geglückt ist. Ihr Häuschen wurde abgefackelt, aber jetzt sind sie zusammen und werden alles hinter sich lassen, was ihre Seele peinigte. Zusammen werden sie in die Freiheit entfliehen.
Die Fürstin ist anderer Ansicht. Hinter einem Baum hält sie sich versteckt. Heftige Schmerzen wird das Kind haben, die Zeit zu sterben seit gekommen. Der Höhlenmensch klinkt sich in die Betrachtungen der Fürstin ein. Die Stimmen der beiden Bösewichter vereinigen sich zu böser Häme. Die Zeit wird für die junge Frau kommen, um unter furchtbaren Schmerzen zu sterben. Sobald das Gift zu wirken beginnt, zernagt es ihr die Knochen. Noch ahnen Nastasja und Juri nicht, welch furchtbarer Schlag auf sie wartet. Hoffnungsvoll bekunden sie, dass sie sich vor Bosheit, Tyrannei, Heimtücke und Intrige absetzen wollen. Torturen und Tränen gehören der Vergangenheit an.
Was ist mit Kuma? Ihr Gesicht ist plötzlich aschfahl und sie sinkt in sich zusammen. In ihrem Innern schneidet und brennt es, dann ist ihr wieder kalt, sagt sie. Der Glanz ihrer Augen ist erloschen. Kudma lässt sich aus seiner Höhle vernehmen, um das Publikum über seine Emotionen nicht im Unklaren zu lassen. „Das Gift wird sie aussaugen wie eine grimmige Schlange“. Juri ist verzagt und weiß sich keinen Rat. Welche Summe an Unglück erreicht sie zur gleichen Zeit. Was kann es nur für eine schlimme Krankheit sein, die ihr zu schaffen macht? Gab ihr jemand Gift? Juri fragt es in tiefer Besorgnis. Kuma weiß es nicht. Eine Frau gab ihr aus einer Quelle Wasser zu trinken, welches bitter schmeckte. Nun schmerzen auch die Knie. Kuma fällt hin. Juri will wissen, von welchem Wanderer sie spricht. Die Fürstin kommt aus ihrem Versteck hervor und erklärt ihrem Sohn, dass sie gemeint sein könnte. Juri ist überrascht, an diesem Ort plötzlich seiner Mutter zu begegnen und Kuma begreift blitzartig die Zusammenhänge. Hochmütig legt die Fürstin ein Geständnis ab und setzt ihre Beweggründe auseinander. O Nastasja! Sie stirbt in Juris Armen. Was hat die Mutter getan? Er bettet Kuma auf seinen Knien. Solch seltene Gäste haben sich vor Kudmas Höhle noch nie versammelt. Der Alte schüttelt den Kopf und findet kein Ende, sich zu wundern.
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Inzwischen ist auch der Opernchor auf die Vorgänge am Ufer aufmerksam geworden. Der junge Prinz ist verzweifelt. Was ist mit Kuma passiert? Irgend etwas stimmt nicht. Shuran nähert sich und steht seinem Freund tröstend zur Seite. Er drängt ihn von Kumas leblosem und entstelltem Körper weg und führt ihn zur Seite. Stumm nähern sich die Gefährten, einer nach dem andern, um ihr Beileid zu bekunden. Für den Schmerz des Sohnes hat die Fürstin keine Gefühlsregung und beklagt sich, dass er sie ungerechtfertigt anbelle. Sie selbst habe die Untat nicht begangen. Der Himmel habe ihre rechte Hand geführt, um die bösartige Hexe zu bestrafen. Sie stand zwischen ihr und seinem Vater und spielte den einen gegen den anderen aus. Juri weiß nun, dass Nastasja unschuldig ist. Er wird die ruchlose Tat der Mutter heimzahlen. Ihr eigenes Gift kehrt von seinem Herzen zu ihr zurück. Shuran legt seinen Arm um seine Schulter und führt ihn weg. Die Fürstin nutzt seine Abwesenheit, den Jägern zu befehlen, den leblosen Körper Kumas in den Fluss zu werfen, an der Stelle, wo er am Dunkelsten ist. Juri sieht es nicht. Shuran spricht tröstend auf ihn ein und versucht, ihm einen Suizid auszureden. Er kann den furchtbaren Schmerz nicht ertragen. Als er zurückkommt und Nastasja nicht mehr vorfindet, erklärt ihm die Mutter, dass sie in der Oka ihr ewiges Grab gefunden habe. Juri eilt zum Ufer, um Abschied von der Geliebten zu nehmen. Er ringt die Hände in Verzweiflung. Sie töteten sie, sie zerschlugen sie! Nun ist er allein. Das Licht seiner Seele ist erloschen, das Glück hat ihn verlassen. Nirgends wir er es wiederfinden, nirgendwo findet er ein Nest. Der Chor kommentiert: Der Teufel hat gewirtschaftet, der Himmel möge die Schuldigen ermitteln und richten.
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Paissi dürfte dem Fürsten verraten haben, an welchem Platz er die Fürstin zurückgelassen hat. Seine Barkasse kommt herangeschaukelt. Ein Teil der Leute steigt mit ihm ans Ufer, andere bleiben im Fahrzeug zurück. Das ist also der Platz, an dem der Sohn seine liebe kleine Freundin unter Verschluss hält! Der Fürst greife zu spät in das Gefecht ein, Kuma weile nicht mehr unter ihnen, denn sie wurde getötet. Nicht mehr unter den Lebenden? Eine schlaue Antwort, aber das Bürschchen hat er nun auf frischer Tat ertappt. Er weiß, dass er sie für sich gedacht hat, deshalb wollte er auch mit ihr wegrennen. Aber er folgte ihm hart auf den Fersen und nun hat er ihn erreicht. Also, wo ist Kuma? Er soll ihm eine Antwort geben, sonst wird es ihm schlecht ergehen. Seinem Befehl soll er Folge leisten und ihm Kuma aushändigen. Juri antwortet mit Bitterkeit. Der Grausame könne über den Tod ruhig spotten, so wie er sich über das Leben auch lustig macht. In böser Freude kann er die Gewalttätigkeit genießen, die er der Dahingeschiedenen angedeihen ließ. Der Fürst zittert vor Wut, er solle das Maul halten. Er kann nicht still sein, entgegnet der Angeschrieene, der Vater sei der eigentliche Mörder Kumas. Im Jähzorn schwingt der Erzürnte den schweren Stab, den er als Zeichen seines fürstlichen Ranges auf Reisen bei sich trägt und zertrümmert mit der harten Metallspitze dem Sohn den Schädel. Juris letzte Worte sind ein Dankeschön, dass er ihn mit der Geliebten auf ewig vereint hat. Die Menschen stehen vor Schreck stumm oder laufen konfus am Ufer auf und ab.
Wenn das menschliche Fassungsvermögen nicht ausreicht, ein Unrecht einzugrenzen, greift oftmals die Natur ein. Ein schweres Gewitter zieht auf, während sich die Fürstin in Verzweiflung über den Leichnam ihres Sohnes wirft. Der Fürst realisiert, was er getan hat und stellt Überlegungen an, wie er das Blut seines Sohnes von seiner Seele waschen kann. Er beging in der Tat eine unverzeihliche Sünde. Der Geruch frischen Blutes steigt ihm in die fürstliche Nase. Der Irritierte spitzt seine Ohren, denn durch Blitz und Donner hört er höhnisches Gelächter. Sein Geist verwirrt sich. Hört er durch das Heulen des Sturmes die Waldgeister oder haben die Pforten der Hölle sich bereits geöffnet? Die dämonisch hässliche Fratze Kudmas beugt sich über ihn und bestätigt seine letzte Mutmaßung.
Anmerkung:
Peter Tschaikowksy hatte das Theaterstück von Iyppolit Schpashinsky nicht gesehen, sondern bekam die Anregung von seinem Bruder Modest, dass sich eine Vertonung für die Opernbühne hervorragend eignen würde. Man brachte ihm eine Kopie des Dramas, Tschaikowsky erkannte seinen Wert und sein Interesse erwachte sofort. Madame Pawlowskaja, die schon die Tatjana im Eugen Onegin gesungen hatte, konnte für die Darstellung der Kuma gewonnen werden.
'Die Zauberin' steht im Schatten der 'Pique Dame' und des 'Eugen Onegin' – völlig zu Unrecht. Ein Grund für die Vernachlässigung ist die unzureichende und verstümmelte Beschreibung des Handlungsfadens in den Ausführungen populärwissenschaftlicher Werke, so dass diese Tschaikowsky-Oper keine Chance hatte, sich in den Gemütern einer breiten Öffentlichkeit abzusetzen, wie es in den beiden erstgenannten Werken der Fall war. Die unterschiedlichen Charaktere sind psychologisch auf das Sorgfältigste herausgearbeitet, unerbittlich folgen sie dem Ablauf eines fatalen Geschickes. Ausführlich begründet und korrekt interpretiert, garantiert das Werk einen Opernabend, der an Spannung nicht zu wünschen übrig lassen wird.
Hochkarätige Stimmen und leidenschaftlich agierende Hauptdarsteller sind unverzichtbar. Die allgemeine Gültigkeit des Themas lässt eine Inszenierung, die auf Folklore und Kostümballast verzichtet, ohne weiteres zu. Die Handlung begünstigt den Transport in die Gegenwart, weil Motive und Gefühle überdimensionalen Ausmaßes zeitlose Gültigkeit signalisieren.
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musirony 2008 - Engelbert Hellen