Schöne Oper - kaum gehört
Alexander Serow [1820-1871]
Judith
Oper in fünf Akten
Libretto vom Komponisten in Anlehnung an das Alte Testament
Uraufführung am 28. Mai 1863 am Mariinski-Theater in St. Petersburg
Dauer etwa zweiundeinehalbe Stunde
Charaktere:
Judith, eine hebräische Freiheitskämpferin
Avra, ihre Magd
Holofernes, Feldherr der Assyrer
Eliachim, Hohepriester
Ozias, Ältester von Bethulia
Charmis, Ältester von Bethulia
Achior, abtrünniger Ammoniter
Bagoas, militärischer Berater
Asfaneses, Haremswächter
Erste Odaliske
Zweite Odaliske
Das Geschehen spielt im Heiligen Land etwa 800 Jahre vor unserer Zeitrechnung
HANDLUNG
Ouvertüre
Erster Akt:
Dem Ansturm der kriegerischen Assyrer sieht die biblische Stadt Bethulia mit Furcht entgegen. Auf dem Marktplatz diskutieren die beiden Ältesten Ozias und Charmis die schreckliche Auswirkung der jüngsten Ereignisse. Die Handelswege sind blockiert und die Wasservorräte gehen zur Neige. Der Hohepriester Eliachim vertraut dem Allmächtigen, dass er dem auserwählten Volk seine Gunst nicht entziehen wird und mahnt die Bevölkerung zu Gehorsam und Geduld. Wäre es nicht besser zu kapitulieren und sich den geforderten Tributzahlungen zu unterwerfen, als sich den grausamen Übergriffen des Feindes auszusetzen? Man beschließt, noch fünf Tage auf die himmlische Einmischung zu warten und dann einen Entschluss zu fassen, falls nichts Bewegendes passiert. Den Verzagten beratend zur Seite steht der Ammoniter Archior, ehemalig als Feldherr im Dienst der Assyrer, kann er wertvolle Hinweise geben, obwohl sein religiöses Bekenntnis zu den Göttern Kanaans abgelehnt wird.
Holofernes, der gefürchtete Heerführer der Assyrer hat sein Feldlager vor den Toren der Stadt aufgeschlagen und trifft Vorbereitung, die Wälle zu stürmen.
Zweiter Akt:
Judith, die Witwe eines gefeierten jüdischen Kriegers, ist nicht geneigt noch länger zu warten bis die Hand Gottes sich zeigt. Selbstbewusst will sie ihre natürliche Schönheit zum Wohle des Vaterlandes einsetzen, um den Feind zu verderben. Sie plant den feindlichen Feldherrn zur Lust zu verführen und ihn anschließend zu ermorden. Ihrer Sklavin Avra befiehlt Judith, den Stadtrat zu informieren, dass sie den riskanten Weg ins feindliche Lager wagen will, legt aber den Ältesten ihre mörderische Absicht nicht offen. Gottes Einwilligung zur Ausführung in die Bluttat ist unerlässlich und - sich Asche aufs Haupt streuend - bittet Judith um seinen Segen. Avras Versuch, ihre Herrin von ihrem Vorhaben abzubringen, schlägt fehl. Widerstrebend macht sie sich mit ihrer Gebieterin auf, um ihr bei der schrecklichen Tat zu assistieren. Das Zwischenspiel 'Marsch des Holofernes' stimmt des Opernbesucher auf den Wechsel des Schauplatzes ein.
Dritter Akt:
Als die beiden Hebräerinnen im Lager der Assyrer ankommen, läuft gerade ein Unterhaltungsprogramm. Mit Gesang und Tanz unterhalten zwei Odalisken die müden Krieger und stellen dem Opernbesucher eine fiktive Welt des Alten Orients vor. Holofernes hat einen charismatischen Auftritt mit Asfaneses und Bagoas, seinen Beratern in militärischen und persönlichen Dingen und schickt die Odalisken weg. Man beschließt übereinstimmend, Bethuila am nächsten Tag zu schleifen.
Tumult ist im Lager entstanden. Der Chor der Assyrer lässt sich vernehmen, dass eine Jüdin von nie gesehener Schönheit zu Besuch erschienen sei. Holofernes hört die Neuigkeit und schließt sich dem Sturm der Begeisterung an. Sie zu erobern und in Besitz zu nehmen sind ein und derselbe Gedanke. Er verfällt ihrer strahlenden Verlockung und die Schöne verrät ihm ein Geheimnis. Sie kenne einen geheimen Weg in die Stadt und will ihn dem erfolgreichen Feldherrn offenbaren. Die siegestrunkenen Assyrer singen im Chor: “Keine Macht der Erde gleicht der unseren“ und freuen sich auf mühelose Eroberung und reichlich Beute
Vierter Akt:
Ein buntes Abendprogramm wird aufgelegt und erweist sich als äußerst abwechslungsreich. Die Divertissements sind von außergewöhnlicher Vielfalt und verlagern die beiden fremden Frauen in eine ihnen bisher unbekannte Welt. Von Bagoas wird sogar ein schmuckes Hindulied vorgetragen. Die lieblichen Chöre der ägyptischen Mädchen gehen dem orgiastischen Aufruf des Holofernes zu einem Trinklied voran. Immer wieder, ermuntert er die Becher mit Wein zu füllen und demonstriert selbst, wie viel Alkohol sein Organismus vertragen kann. Seine Gedanken drehen sich vorzugsweise um Krieg und Eroberung, während die beiden Patriotinnen die Stunde ihrer Rache näher rücken sehen. Afanases ist so unvorsichtig, Judiths Gefühle für Holofernes als kalt zu bewerten und der Haremswächter bekommt für seine unbedachte Äußerung des Speeres tödliche Spitze zu spüren.
Die Anspannung wächst. Die Anwesenden entfernen sich, um der Zweisamkeit des Starken und der Schönen nicht im Wege zu stehen. Judith wartet bis der Assyrer volltrunken auf dem Teppich liegt. Sie bündelt alle Energie und Stärke und mit einem gewaltigen Streich trennt sie dem verhassten Gegner das Haupt vom Rumpf. Beim Schopf gefasst, lässt sie es noch ein wenig abtropfen, um keine Blutspur hinter sich herzuziehen und Avra steckt es anschließend in ihren Kulturbeutel. Vorsichtig spähend, verlassen die beiden Rächerinnenn das Kriegszelt und entschwinden mit ihrer kostbaren Beute im Dunkel der Nacht.
Fünfter Akt:
Die Bürger von Bethulia sehen keine andere Möglichkeit mehr, einem schlimmen Schicksal auszuweichen, als die Tore der Stadt zu öffnen und den Feind hereinzulassen. Doch plötzlich steigt aus der Dunkelheit Judith auf und jubelt: „Hier ist der Kopf des Holofernes!“ Sie hält es hoch und am Stadttor wird es allen sichtbar aufgehängt.
Im Lager der Assyrer hat man die Bluttat entdeckt und sie als negatives Vorzeichen gedeutet. Die Feinde zerstreuen sich und waren nicht mehr gesehen. Wir haben gewonnen, tönte es aus dem Mund der Hebräer. Der Schlusschor singt Gottes Preis, denn man ist unendlich erleichtert.
Anmerkung:
Epigonenhaft folgt Serow dem Opernkünsten der Italiener, Deutschen und Franzosen, konnte einen großen Durchbruch aber nicht erzielen. Das Volumen ist bescheiden – 1865 folgte noch die Oper Rogneda – doch zum „mächtigen Häuflein“ gehört Serow nicht. Die Bassarien des Holofernes konnten Fjedor Schaljapin jedoch inspirieren.
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2011 musirony- Engelbert Hellen