musirony - Das Märchen vom Zaren Saltan
 

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Nikolai Rimski-Korsakow [1844-1908]

Das Märchen vom Zaren Saltan

Skaza o zare Saltane -
The Tale of the Tsar Saltan


Oper in vier Akten und einem Prolog in sieben Bildern

Libretto von  W. I . Belski nach einer Erzählung von Alexander Puschkin

in russischer Sprache

Uraufführung am 3. November 1900 am Solodownikow-Theater in Moskau

 

Darsteller:
Zar Saltan,
Militrissa, seine Gemahlin, verleumdet und verstoßen
Prinz Gwidon, ihr Sohn, kühn und reiselustig
Die Schwanenprinzessin, zauberhaft, zuvor verzaubert
Älteste Schwester Miltrissas, bösartig und intrigant
Zweitälteste Schwester Miltrissas, genauso
Barbarika, Heiratsvermittlerin
ein Weber
ein Koch



HANDLUNG
 
VORSPIEL

PROLOG

In einem verschneiten Dorf in Russlands unendlicher Weite sitzen an einem milden Winterabend drei junge Mädchen vor ihrem Spinnrad und suchen den Gedankenaustausch. Die beiden Älteren prahlen mit gutem Aussehen und ihrer vorteilhaften Figur. Um soziale Absicherung bemüht, gilt ihre Sehnsucht einem wohlhabenden Verehrer. Es erklärt die Anwesenheit der Heiratsvermittlerin Barbarika, die das Eigenlob der beiden Älteren unterstützt und die eigenen Huldigungen hinzufügt. Nur die kleine Jüngste bleibt gelassen, sie ist freundlich und bescheiden wie immer. Die beiden Eingebildeten betrachten Militrissa deshalb als Naivling und schieben ihr die Hausarbeit zu. Gutmütig wie sie ist, setzt sie der Ungezogenheit ihrer Schwestern keinen Widerstand entgegen. Ihrer Einbildungskraft lassen die Mädchen die Zügel schießen und überlegen, was sie tun würden, wenn der Zar sie zur Frau nähme. Die Älteste würde sich verpflichten, das aufwändigste Festgelage abzuhalten, welches jemals in der Hauptstadt stattgefunden hat, damit die Menschen sich wenigstens einmal satt essen können. Die Mittlere würde viel Wolle spinnen lassen, damit die Menschen sich angemessen kleiden können. Realitätsbezogen denkt die Jüngste - sie würde dem Zaren einen feinen Sohn gebären.

Herrscher mischen sich häufig verkleidet unter das Volk, um die Stimmung zu erkunden wie die Untertanen ihnen gesonnen sind. Zar Saltan stand zufällig unter dem Fenster und hat die Ausführungen der Schwestern belauscht. Die Worte, die er vernahm, erweckten sein Wohlgefallen. Er betritt die ärmliche Hütte und verkündet seinen Beschluss, die drei Mädchen für ihre edle Gesinnung zu belohnen und  in seinem Palast wohnen zu lassen. Einer jeden wird die Aufgabe zugewiesen, welche ihren Fähigkeiten gerecht wird. Die Älteste darf in der Küche wirtschaften und die Lagerung der Nahrungsmittel kontrollieren. Die andere wird in die Schneiderwerkstatt versetzt, um das Fertigen der Gewänder zu beaufsichtigen und die Spinnräder in Bewegung zu halten. Doch der Wunsch der Jüngsten hat es dem Zaren besonders angetan. Er nimmt sie beim Wort, ihm einen feinen Thronfolger zu schenken, und macht sie zum Verdruss ihrer neidischen Schwestern zu seiner Gemahlin.

Das Schicksal will es, dass der Zar in den Krieg ziehen muss. Seine liebe Frau nimmt er mit ins Feldlager, damit sie ihr Versprechen nicht aus den Augen verliert. Mit festlichen Rhythmen begleitet das Orchester die Abreise. Die beiden zurückgebliebenen Schwestern ärgern sich maßlos, weil sie sich von ihrem Aschenputtel ausgetrickst fühlen. Im Komplott mit Barbarika überlegen sie in ihrer grenzenlosen Bosheit, wie sie Militrissa ihr Glück zerschlagen können.

Erster Akt:

Ohne ihren Gemahl in den Palast zurückgekehrt, schenkt die Zarewna nach einer gewissen Zeit einem Thronfolger das Leben. Der Tagesablauf im Zarenpalast nimmt seinen gewohnten Gang, aber die junge Mutter kennt keinen Frieden. Vom Monarchen ist nicht eine Nachricht angekommen, noch weiß er nichts von der Geburt seines Sohnes.

Der Possenreißer des Hofes versucht vergeblich, Militrissa die schwermütigen Gedanken aus dem Kopf zu vertreiben. Entweder lauscht sie den Geschichten des alten Großvaters oder der Heuchelei ihrer falschen Schwestern. Endlich kommt ein Bote, den der Zar geschickt hat. Militrissa ist überglücklich, dass sie dem Gemahl das freudige Ereignis übermitteln kann. Doch die beiden falschen Schwestern lassen ihre Ränke spielen, machen den Boten betrunken und tauschen die Rückantwort der Zarewna an den Zaren heimlich gegen eine selbstgefertigte aus. In der Fälschung heißt es, die Gemahlin habe ein Monster zur Welt gebracht. Der Bote bekommt den Betrug nicht mit und die Falschmeldung geht ihren Weg.

Die Reaktion des Zaren lässt nicht lange auf sich warten und kündet den Willen eines Despoten. Vom Thron gestoßen wird die Zarewna! Die Kindesmutter mit dem missgestalteten Wesen sei in eine Tonne zu stecken und diese versiegelt ins Meer zu werfen. So geschieht es, und die Hofgesellschaft traut sich nicht zum Widerspruch. Der Befehl wird ausgeführt und die Menschen stehen am Ufer und beobachten, wie der Behälter mit Mutter und Kind davonschaukelt.

VORSPIEL

Zweiter Akt:

Das inbrünstige Flehen der Mutter bewegt die Wogen, das Fass an den Ufern einer einsamen Insel an Land zu spülen. Das gefahrvolle Schaukeln auf dem Meer wird durch das fast zehn Minuten dauernde Vorspiel zum zweiten Akt fantasievoll und kurzweilig von den berauschenden Orchesterklängen Rimsky-Korssakows begleitet. Militrissa beklagt ihr bitteres Schicksal, doch der kleine Prinz fühlt sich auf der Insel, die leckere Früchte spendet und bunte Blumen beschert, recht wohl und erkundet die prächtige Welt um sich herum. Die genetischen Attribute seines Vaters machen sich bemerkbar und schnell hat er herausgefunden, wie man auf handwerklichem Wege Pfeil und Bogen herstellt. Schon bald bietet sich Gelegenheit, seine Kunst unter Beweis zu stellen. Vom Himmel holt er mit einem gezielten Schuss einen gewaltigen Habicht herunter, der im Begriff war, einen Schwan zu attackieren. Dankbar gleitet der Schwan heran und spricht zur Überraschung von Mutter und Sohn fließend russisch. Der schöne weiße Vogel mit dem goldenen Schnabel erzählt alles Mögliche, aber nicht wer er ist und wie er heißt. Dem gewitzten Opernpublikum ist natürlich sofort klar, dass der Vogelbalg einem verhexten Wesen lediglich als Hülle übergestülpt wurde.

Als Mutter und Sohn am folgenden Morgen von den ersten Strahlen der Sonne geweckt werden,breitet sich eine wunderschöne Stadt vor ihren Augen aus. Kirchenglocken läuten und Kanonenfeuerbegleitet eine festliche Prozession, die sich aus den Mauern der Stadt direkt auf sie zubewegt. Es sieht so aus, als ob man auf sie gewartet hätte. Würdenträger unter einem Baldachin treten heran und bitten Prinz Gwidon, ihr König zu sein.

Dritter Akt

Restlos glücklich ist der junge Prinz nicht, denn es verlangt ihn, seinen Vater kennen zu lernen. Die Schwanenprinzessin, so nennt er den sprechenden weißen Vogel, ahnt seinen Kummer und ist bereit, ihm zu helfen. Ein prächtiges Handelsschiff hat im Hafen angelegt und der Prinz soll doch einfach mitfahren, um zu erkunden, wer sein Vater sein könnte. Ohne sich von seiner Mutter zu verabschieden, wird er den Segler begleiten. Damit er unterwegs nicht unangenehm auffällt, verwandelt die Schwanenprinzessin Prinz Gwidon in eine Hummel. Damit die Reise für ihn nicht langweilig wird, komponierte Nikolai Rimsky-Korssakow für den blinden Passagier den inzwischen weltbekannten

HUMMELFLUG

Manchmal ist die Hummel dem Schiff auf seiner Fahrt ein Stück voraus oder sie fliegt hinterher – mal sitzt sie bequem im Mastkorb oder sie summt dem Kapitän um die Ohren. Das Schiff nimmt Kurs auf die Hauptstadt. Die Stimme des Honigs verrät der Biene, dass Gwidon hier seinen Vater finden wird.

SZENENWECHSEL

Fremde Kaufleute sind im Zarenpalast immer herzlich willkommen. Zar Saltan ist sehr wissbegierigund fragt die Reisenden aus, welche Wunder ihnen auf der Reise begegnet seien und welche Neuigkeiten sie mitzuteilen haben. Diesmal berichten sie von einer wundervollen Stadt, in der sie zuvor niemals waren, da sie die Insel wüst und leer glaubten. Sie erzählen von dreiunddreißig Rittern, die dem Herrscher, dem mächtigen König Gwidon ihre Aufwartung machen. Es gibt dort einen Kristallpalast, in dem muntere Eichkätzchen an goldenen Nüssen knabbern. Beeindruckt von ihren Geschichten, wünscht Saltan die wundervolle Stadt zu besuchen, aber seine beiden Schwägerinnen raten von der gefahrvollen Reise dringend ab. In Wirklichkeit befürchten sie, dass er die Wahrheit um die Zarewna und seinem Sohn in Erfahrung bringen könnte. Auch Barbarika setzt alles daran, den Zaren von anderen Wundern zu berichten und erzählt von einer Prinzessin von verwirrender Schönheit, die angeblich in einen Schwan verwandelt wurde. Zornig sticht die Biene überall kräftig zu und fliegt dann - die allgemeine Verwirrung nutzend - davon.

Vierter Akt

Die Geschichte, welche Barbarika über die schöne Prinzessin erzählt hat, geht Gwidon nicht aus dem Kopf. Traurig wandert er am Meer entlang und erzählt seinem Schwan von seinem großen Appetit auf das süße Mädchen und dass er es auf der Stelle heiraten würde. Gewiss hat er für ihn einen guten Rat! Von der Intensität seiner Liebe gerührt, gibt sich der Schwan zu erkennen und verwandelt sich in die Prinzessin seiner Träume. Die Mutter beeilt sich, ihren Segen zu geben.

SZENENWECHSEL

Zar Saltan hat sich von seinen Schwägerinnen nicht umgarnen lassen. Er beschließt, die geschilderten Wunder höchst persönlich in Augenschein zu nehmen. Böllerschüsse verkünden die Ankunft seines Seglers. Die Kirchenglocken läuten und die Jubelrufe der Bevölkerung sind nicht zu überhören. Militrissa ist ganz aufgeregt. Wird der Gemahl sie wiedererkennen? Bevor die Gäste den Palast betreten, zeigt man ihnen die Wunder der Stadt. Die Eichkatzerl, welche goldene Nüsse futtern, finden volle Aufmerksamkeit. Der Zar klagt über sein Leben in Einsamkeit und über den schweren Schicksalsschlag, welcher dazu geführt hat. Die dreiunddreißig Ritter haben sich formatiert und stehen Spalier. Die Fanfaren begrüßen das Erscheinen von König Gwidon, der mit der Schwanenprinzessin den Thronsaal betritt. Den beiden folgt die Königin-Mutter Militrissa. Mit Tränen in den Augen umarmt der Zar die vermisste Gemahlin und den heroischen Sohn. Die beiden verräterischen Schwestern, die aus Neugier mitgekommen sind,  möchten nicht gesehen werden und verstecken sich in der Menge.

Anmerkung:

Die Idee, Puschkins Erzählung zu vertonen, kam von Wladimir Stasow. Im Winter 1898 begann Rimsky-Korssakow mit seinem Librettisten das Szenario zu entwickeln. Rechtzeitig zu Puschkins Geburtstag war es fertig, so dass die Oper nach dem russischen Kalender am 21. Oktober 1900 am Solodonikow Theater - es handelt sich um ein privates Opernhaus - in Szene gehen konnte. Die Titelpartie kreierte Fjodor Schaljapin und für die Schwanenprinzessin konnte Nadescha-Wrubel, ein lyrisch getönter Koloratursopran gewonnen werden, die zuvor schon die Zarenbraut gesungen hatte.

Zar Saltan reiht sich in die Bühnenfiguren märchenhaften Charakters nahtlos ein. Der ‚Hummelflug’ wurde so populär, dass er sich im Konzertsaal verselbständigen konnte und in fleißiger Benutzung Zugaben-Charakter angenommen hat. Durch die groß angelegte Orchester-Szene zu Beginn des zweiten Aktes wird der Zeitablauf gestreckt, während die Tonne mit Mutter und Kind auf dem Wasserweg unterwegs ist.

***
musirony 2008 - Engelbert Hellen


 

 


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