Schöne Oper - selten gehört
Mieczyslaw Weinberg [1919-1996]
Der Idiot
Idiot
Oper in vier Akten / Zehn Bildern
entstanden 1986
op. 144
„Im Angedenken an Dimitri Schostakowitsch“
Libretto von Alexander Medwejew
nach dem gleichnamigen Roman von Fjodor M. Dostojewski
Uraufführung am 19. Dezember 1991 in einer gekürzten Fassung für Kammerorchester an der Kammeroper Moskau,
nach Originalparitur am 09. Mai 2013 am Nationaltheater Mannheim
Auf Russisch gesungen
Charaktere:
Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin – Tenor
Parfjon Semjonowitsch Rogoschin – Bass
Nastassja Filippowna Baraschkowa – Sopran
Lukjan Timofejewitsch Lebedjew – Bariton
Afanassij Iwanowitsch Tozkij – Bariton
Iwan Fjodorowitsch Jepantschin, General – Bass
Jelisaweta Prokofjewna, seine Frau – Alt
Aglaja, Alexandra und Adelaida, ihre Töchter – Sopran bzw. Stumm
Ardalion Alexandrowitsch Iwolgin, General a.D. – stumme Rolle
Nina Alexandrowna Iwolgina, seine Frau – stumme Rolle
Gawrila Ardalionowitsch, ihr Sohn – Tenor
Warwara Ardelionowa, ihre Tochter – Sopran
Ein Messerschleifer – Tenor
Zugpassagiere, Ballgäste, Volk
Ort und Zeit der Handlung: St. Petersburg und Umgebung um 1860. 1. Und 2. Akt im November, 3. Und 4. Akt im Juni/Juli
HANDLUNG
Vorgeschichten:
Der junge und vermeintlich verarmte Fürst Myschkin leidet an Epilepsie. Deshalb, vor allem aber wegen seines unbefangenen Wesens und seiner Aufrichtigkeit, wird er in der Gesellschaft als „Idiot“ bezeichnet. Nach dem Versuch, seine Krankheit in der Schweiz zu kurieren, kehrt er mit einer verbrieften Aussicht auf reiche Erbschaft nach fünf Jahren zurück nach Russland. In Petersburg will er zunächst seine einzige, weit entfernte Verwandte aufsuchen – die Gattin des Generals Jepantschin, die der Familie der Myschkins entstammt.
Nastassja Filippowna gilt in St. Petersburg als begehrte Mätresse. Als Waisenmädchen hatte sie die finanzielle Unterstützung des älteren Tozkij genossen, der sie schließlich als Geliebte aushielt. Derart missbraucht, fühlt sich Nastassja verwundet und wertlos. Sie sieht keine Chance mehr auf einen ehrenwerten Platz in der Gesellschaft und gibt Tozkij, der sich nun achtbar verheiraten möchte, nicht frei.
Tozkij will sich aus der verrufenen Verbindung mit Nastassja lösen und eine großbürgerliche Ehe mit der Tochter des Generals Jepantschin eingehen. Deshalb erhält Nastassja von Tozkij eine feudale Aussteuer von 70.000 Rubel. Um diesen Preis ist Jepantschins Sekretär, der mittellose Ganja, bereit – trotz ihres Rufes – um Nastassjas Hand anzuhalten. Über Ganja soll der General die Möglichkeit erhalten, heimlich Umgang mit Nastassja zu pflegen. Ganja aber hofft, die Generalstochter Aglaja für sich zu gewinnen, um der notgedrungenen Verbindung mit Nastassja zu entgehen.
Erster Akt
Abwechselnd in Nastassjas Zimmer und einem Zugabteil -
Nastassja Filippowna erhält Besuch von Tozkij. Währenddessen begegnen sich im Zug nach St. Petersburg Fürst Myschkin und der Kaufmannssohn Rogoschin. Ihr Gespräch wird immer wieder von dem informationsgierigen Lebedjew unterbrochen. Rogoschin erzählt von seiner unbändigen Leidenschaft für Nastassja. Um ihr teuren Schmuck zu kaufen, hatte er seinem Vater Geld entwendet und wurde dafür von ihm Verprügelt. Nach dessen Tod ist Rogoschin nun Erbe eines Vermögens in Millionenhöhe. Er verspürt für Myschkin große Sympathie. Wieder bei Nastassja, stellt sich Ganja sich bei ihr vor. Es ist ihr fünfundzwanzigster Geburtstag und Ganja möchte wissen, ob sie sich für ihn entschieden hat. Sie überreicht ihm zwar ein Bild, behält sich die Antwort aber für das abendliche Fest vor.
Bei der Familie Jepantschin -
General Jepantschin beruhigt Tozkij, der an Ganjas Bereitschaft zweifelt, Nastassja zu heiraten. Myschkon, der die ihm verwandte Generalin aufsuchen möchte, stellt sich vor. Er hört Aglajas Gesang und ist von ihrer Stimme gebannt. Ganja kommt von Nastassja und zeigt Jepantschin das Bild, welches sie ihm gegeben hat. Myschkin sieht es ebenfalls. Der General stellt ihn seiner Familie vor und Myschkin ist begeistert von Aglaja. Er behauptet, sie sei fast so schön wie Nastassja, deren Bild er vorhin zum ersten Mal sah und welches er heimlich küsst. Draußen zieht Rogoschin vorbei, welcher Bargeld kaufen will, um damit Ganja von Nastassja wegzukaufen. Ganja erhält von Aglaja eine Absage. Er sieht sich dadurch gezwungen, Nastassja zu heiraten, sollte sie sich am Festabend für ihn entscheiden. Ganja bietet Myschkin eine Unterkunft an.
Zweiter Akt:
In der Wohnung von Ganjas Eltern, dem Ehepaar Iwolgin, wohnt Myschkin zur Untermiete. Ganjas Schwester Warja verurteilt die mögliche Heirat ihres Bruders mit Nastassja. Letztere will zu ihrem abendlichen Geburtstagsfest einladen. Sie hält Myschkin zunächst für einen Bediensteten und ist verwundert, in ihm einen Fürsten zu erkennen. Sie und Myschkin fühlen sich einander hingezogen. Rogoschin will Ganja bezahlen, damit dieser Nastassja nicht heiratet. Als er dafür 18.000 Rubel bietet, fühlt sich Nastassja unter Wert verkauft. Rogoschin steigert den Betrag und kündigt schließlich an, bis zum Abend 100.000 Rubel in bar aufzutreiben. Waja bezichtigt Nastassja der Prostitution, Myschkin aber verteidigt ihre Ehre.
Das Geburtstagsfest von Nastassja. Tozkij und Jepantschin sind gespannt, ob sie sich für Ganja entscheiden wird. Ohne Einladung erscheint auch Myschkin. Nastassja fragt ihn, ob sie Ganja heiraten soll und er verneint, worauf sie Ganja eine Absage erteilt. Rogoschin bringt die versprochenen 100.000 Rubel. Als Nastassja Myschkin fragt, ob er sie heiraten würde, bejaht er und zeigt ihr das Schreiben, welches ihn als Erbe eines großen Vermögens ausweist. Doch Nastassja will den Fürsten nicht ins Verderben ziehen und rät ihm, Aglaja zu heiraten. Sie entschädigt Ganja mit Rogoschins Geld, wirft das Paket aber ins Feuer. Ganja ist nicht in der Lage, es aus den Flammen zu ziehen. Höhnisch geht sie mit Rogoschin fort. Myschkin plant, sie zu retten.
Dritter Akt:
Nastassja ist zwischen Rogoschin und Myschkin hin- und hergerissen. Kurz vor ihrer Hochzeit mit Rogoschin war sie wieder zu Myschkin geflüchtet, hat aber auch diesen wieder verlassen. Durch einen Brief Lebedjews hat Myschkin erfahren, dass Nastassja zu Rogoschin zurückgekehrt ist. Myschkin beteuert Rogoschin, nicht sein Rivale zu sein: Er liebe Nastassja aus Mitleid, nicht aus Liebe. Rogoschin wiederum versichert ihm die alleinige Liebe Nastassjas, sie aber Myschkins Leben nicht zerstören wolle. Als Zeichen der Verbundenheit tauschen Rogoschin und Myschkin ihre Kreuze. Als Myschkin das Haus verlässt, direkt in einen Regenschauer gerät und sich kurz unterstellt, sieht er eine Gestalt, die sich ihm nähert und ihn angreifen will. Überrascht erkennt er Rogoschin. Myschkin bekommt einen epileptischen Anfall. Rogoschin flieht.
Nastassja fürchtet um das Wohl Myschkins und ist eifersüchtig auf Aglaja. Der Fürst wohnt bei Lebedjew und erholt sich zunehmend. Die Familie Jepantschin stattet ihm Besuch ab. Aglaja bezeichnet ihn als „armen Ritter“, als eine Art Don Quichotte, der vergeblich versucht, das Ideal seiner Liebe zu erringen. Spitz spielt sie dabei auf Myschkins Verhältnis zu Nastassja an. Als er für Aglaja zu schwärmen beginnt, erklärt sie ungefragt, Myschkin nicht heiraten zu wollen. Unausgesprochenes und Widersprüchliches liegt in der Luft. Alexandra löst die Situation auf, indem sie alles als Scherz auslegt. Die Generalin Jepantschina kann sich das Wesen ihrer Tochter nicht erklären. Bei einem Spaziergang spricht sich Aglaja mit Myschkin aus. Sie möchte mit ihm fliehen, ist aber gehemmt durch die große Eifersucht auf Nastassja. Sie befindet sich in einem irrationalen Dilemma: Obwohl Nastassja sie in Briefen beschwört, Myschkin zu heiraten, drängt Aglaja umgekehrt Myschkin, Nastassja zu heiraten, um diese vor ihrem Schicksal mit Rogoschin zu bewahren. Nastassja sucht Myschkin auf, um sich ein letztes Mal von ihm zu verabschieden.
Vierter Akt:
Auf dem Sommersitz der Jepantschins, hält Myschkin überraschend um die Hand Aglajas an. Lebedjew unterrichtet Myschkin davon, dass Aglaja sich mit Nastassja aussprechen möchte. Myschkin soll sie begleiten. Aglaja beansprucht Myschkin für sich und beleidigt Nastassja. Diese erkennt Aglajas Absicht: „Liebt er mich mehr als Sie – oder nicht?“ Nastassja schickt Rogoschin fort. Myschkin steht zwischen Nastassja und Aglaja. Letztere läuft weg, Myschkin möchte ihr folgen aber Nastassja fällt ihm in die Arme. Rogoschin beklagt sein Schicksal als Alleingelassener. Lebedjew kommt und berichtet, dass Nastassjas und Myschkins Hochzeit unmittelbar bevorstand, als sie wieder zu Rogoschin floh.
Im letzten Bild trifft Myschkin Rogoschin in seiner Hütte. Erster hat Nastassja aus Verzweiflung erstochen. Er zeigt dem Fürsten die Leiche. Myschkin friert es. Beide halten einander fest umfangen.
Anmerkung:
In Umlauf ist u.a. auch eine Variante der Schreibweise des Namens Moishe Vainberg. Der Komponist ist polnisch-jüdischen Ursprungs und später nach Russland verzogen.
© 2013 musirony – Raphael Lübbers