Schöne Oper - selten gehört
Mazeppa
Peter Tschaikowski [1840-1893]
Mazeppa
Oper in drei Akten
Libretto von Victor P. Burenin unter Mitwirkung des Komponisten
nach dem Versroman 'Poltawa' von Alexander Puschkin
in russischer Sprache
Uraufführung am 15. Februar in Moskau am Kaiserlichen Theater
gleichzeitig auch in St. Petersburg am Mariinskij Theater
Charaktere:
Mazeppa (Bariton) – Kosakenhauptmann
Kotschjubey (Bass) – Reicher Gutsbesitzer
Maria (Sopran) – Tochter Kotschjubeys
Ljubow (Mezzosopran) – ihre Mutter
Andreij (ein junger Kosake)
Iskra (Bass) – Bursche Kotschjubeys
Orlik (Bass) – Vertrauter Mazeppas
Das Geschehen spielt in der Ukraine zu Beginn des 18. Jahrhunderts
Die Schlacht von Poltawa
HANDLUNG
Erster Akt:
Erstes Bild: KOTSCHJUBEYS GARTEN MIT BLICK AUF DEN DNJEPR
Der Amtsrichter des Bezirks Poltawa hat seinen alten Freund Iwan Mazeppa auf sein Landgut eingeladen, um das Johannes-Fest zusammen im Kreise seiner Familie und seiner Leibeigenen mit ihm zu feiern. Ljubow, seine Frau und die Tochter Maria geben sich bei den Vorbereitungen zum Fest alle Mühe und planen einen bunten Abend mit Musik und regionalen Tänzen. Der Gast ist Oberbefehlshaber der ukrainischen Kosaken und genießt als Held des Vaterlandes außerordentliches Ansehen.
Von der Heldenaura des Hetmanns angetan, ist vor allem Kotschjubeys Tochter Maria, die den Freund des Vaters nicht nur verehrt, sondern es konnte sich in aller Stille ein Liebesverhältnis anbahnen. Hierunter leider Andreij, Marias Jugendgespiele, der das Mädchen für sich beansprucht, seine Werbung das Ziel aber verfehlt. Das Liebesduett versickert und es kommt zu keinem positiven Resultat, weil Marias Gedanken sich nur beim Patenonkel Iwan aufhalten. Seine Enttäuschung kann der Jüngling schwer verwinden, und der Jungspund versteht nicht, dass ein Siebzigjähriger ihm den Rang abläuft - die Eltern verstehen es nicht und der Opernbesucher auch nicht!
Der Abend, so lustig er begonnen hatte, endet im Fiasko. Mazeppa hatte zu einem Hopak aufgerufen, um Marias Vater vorzubereiten, dass er mit Maria einig geworden ist und sie zu heiraten gedenkt. Wassilij Kotschjubey denkt an einen lustigen Scherz des Kameraden und zeigt ihm 'Vögelchen'. Die gekränkte Miene des Brüskierten, die plötzlich in eisiger Kälte erstarrt, belehrt den Ungläubigen, dass dieser es ernst meinte. Der Hausherr sieht sich veranlasst, vor allen Leuten Mutter und Tochter hinzuzurufen, um ihre Ansicht zu hören, doch Maria Kotschjubejy dementiert nicht, sondern unterstützt den Heiratsantrag ihres Heros. Der Streit zwischen den alten Herrschaften eskaliert und wutentbrannt weist Koschjubey dem Gast die Tür. Maria sieht sich vor die Entscheidung gestellt, sich zwischen Elternhaus und ihrem Freier zu entscheiden. Zur Überraschung der Anwesenden wirft das naive Mädchen sich dem einzig Geliebten an den Hals und verlässt mit ihm und seinem Gefolge das elterliche Anwesen.
Zweites Bild: EIN ZIMMER IM HAUS KOTSCHJUBEYS
Man weiß im Hause Kotschjubeys, dass Mazeppas Bestrebungen darin gipfeln, die Ukraine vom Zarenjoch zu befreien. Mit dem schwedischen König hat er bereits Verhandlungen aufgenommen. Wassilij Kotschjubey beschließt in seiner maßlosen Wut, den Verführer seiner Tochter beim Zaren zu denunzieren. In seiner Eigenschaft als Amtsrichter schickt er den gehorsamen Andreij mit einer Liste der Verschwörer auf den Weg, um dem Zaren den Hochverrat zu entdecken. Ljubow vermisst ihre Tochter und weint, weil sie sich nicht sicher ist, ob die Idee des Gemahls gut ist und der Plan funktionieren wird.
Zweiter Akt
Drittes Bild: EIN VERLIES UNTER DEM SCHLOSS MAZEPPAS
Wie Ljubow vorausgesehen hat, misslingt der Plan ihres Gemahls, denn Mazeppa ist der größere Intrigant. Er konnte dem Zaren weismachen, dass es Kotschjubey selbst gewesen sei, welcher die Umsturzpläne hegte. Nur zu gern glaubt ihm der Herrscher aller Reußen, weil er seinen lieben Gefolgsmann für seine Operationen noch benötigt und es ihm unpraktisch dünkt, wegen unbewiesener Anschuldigen und den Erläuterungen eines Boten dem Verdächtigten zu misstrauen. Das Vertrauen des Peter des Großen in seinen Kosakenführer ist größer und Kotschjubey fängt sich in seiner eigenen Schlinge.
Auf Mazeppas Wunsch wird ihm sein Gegner ausgeliefert und er setzt diesen in den Gewölben seines Schlosses zusammen mit seinem Gefolgsmann Iskra gefangen. Die schleunige Hinrichtung der beiden ist beschlossene Sache. Unter dem Druck der Folter widerruft der Gefangene seine Information an den Zaren. Sein Vermögen wird konfisziert und sein häusliches Anwesen niedergebrannt.
Viertes Bild: IM SCHLOSS MAZEPPAS
Beides weiß Mazeppa nicht unter einen Hut zu bringen. Er kann nicht die Zuneigung der Geliebten in Anspruch nehmen und gleichzeitig den Vater hinrichten lassen, nachdem er das Elternhaus des Mädchens zerstörte. Ohnehin hat Maria bemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt und vermutet, dass der Verehrteste sie mit einer anderen Frau betrügt. Doch dem Verdächtigten gelingt es, ihre Bedenken zu zerstreuen und zeigt ihr die juwelenbesetzte Krone, die er sich nach getaner Arbeit selbst auf das weißgelockte Haupt setzen wird. Beide feiern ihre große Liebe zueinander. Die Stürme des Schicksals brausen um das Haus Mazeppas.
Die Seligkeit Marias hält allerdings nur so lange an, bis Ljubow auftaucht und ihrer Tochter erzählt, dass sie kein Zuhause mehr hat und dem Vater der Tod durch das Henkersbeil droht. Sie soll versuchen, den Gemahl umzustimmen, damit die Hinrichtung aussetzt wird. Mazeppa muss nun mit der Wahrheit heraus und fragt Maria, wen sie lieber tot sehen möchte, den Vater oder den Gatten? Ihm drohe das Verderben, wenn der Zar erfährt, dass er mit dem König von Schweden im Bunde stehe. Wenn der rachsüchtige Vater plaudert, gehe es nämlich ihm an den Kragen. Maria ist dem Zwiespalt ihrer Gefühle hilflos ausgeliefert. Mutter und Tochter eilen zum Richtplatz, um dem Henker in den Arm zu fallen.
Fünftes Bild: AUF DEM HINRICHTUNSPLATZ
Im Alten Russland ist eine öffentliche Hinrichtung ein Ereignis von schauriger Ergriffenheit. Kindern ist der Zugang gestattet. Man hält eine brennende Wachskerze in der Hand und fromme Gedanken wallen himmelwärts. Ein irrer Spaßmacher bringt sich sich mit seinen dummen Sprüchen in Oppostion zur Allgemeinheit und wird geknufft. Zwei Henker in mattroten Gewändern tauchen plötzlich auf und halten monumentale Beile mit gewölbter Schneide in der Hand.
Die beiden Todeskandidaten im weißen Hemd und mit einer brennenden Kerze in der Hand fügen sich ihrem Schicksal. Sie glauben an das, was ihnen eingeredet wurde und sehen sich bereits am Ziel ihrer himmlischen Reise angelangt. Synchron sausen die Henkersbeile nieder, um das Haupt Kotschjubeys und das des getreuen Iskra vom Rumpf zu trennen. Der Lebenssaft strömt in Fülle, bildet einen Bach und versickert dann im Erdreich. Der Opernbesucher bekommt von alldem nichts mit, weil die herandrängenden Menschenmassen die freie Sicht auf die Todeskandidaten versperren. Ljubow und ihre Tochter erscheinen mit Verspätung und fallen ob des schaurigen Geschehens nacheinander in Ohnmacht, während vom Zwiebelturm die Glocken läuten.
Dritter Akt
SINFONISCHES TABLEAU - DIE SCLACHT VON POLTAWA:
Zum Symphonieorchester im Graben tritt auf der Bühne ein Blasorchester vor den gewaltigen Gobelin mit heraldischen Motiven. Der Schlacht von Poltawa wird gedacht und die flotte Marschmusik bestätigt, dass der Zar von Russland gegen den Schwedenkönig Karl XII und dessen ukrainischen Bundesgenossen Mazeppa gewonnen hat. Peter der Große heißt der Sieger!
Sechstes Bild: GARTEN IM HAUS KOTSCHJUBEYS
Das zerstörte Anwesen Kotschjubeys steht stellvertretend für die Verwüstungen im ganzen Land. Zerstörtes Inventar liegt ungeordnet herum und bildet nun die Bühnendekoration des Gartens, in dem einst fröhliche Feste gefeiert wurden.
Mit einer Bravour-Arie hat der kampferprobte Andreij endlich seinen großen Auftritt. Dem Rebellen Mazeppa spürte er nach, um das Lebenslicht des Rivalen mit seiner Stichwaffe auszulöschen, falls das Schicksal ihn bisher verschont haben sollte. Am liebsten hätte er ihn im Kampf erschlagen, doch im weiträumigen Gelände hat er ihn verfehlt. Auch Mazeppa findet sich mit seinem Kumpan Orlik ein, denn er geht davon aus, dass die Geliebte sich vom ehemaligen Elternhaus nicht trennen konnte und an diesem Ort Zuflucht sucht.
Andreij stürzt sich mit dem gezückter Stichwaffe auf Mazeppa, doch bevor er zustoßen kann, trifft ihn die tödliche Kugel Orliks. Eine bleiche gespensterhaft aussehende Gestalt nähert sich aus dem Hintergrund des Gartens - es ist Maria. Mit weißen Blumen im Haar und verwirrtem Sinn irrt sie in der elterlichen Villa umher und sammelt Erinnerungen aus der Kinderzeit. Die Bilder vom gewaltsamen Ende des Vaters hat die Elternlose in den Wahn getrieben. Mazeppa muss feststellen, dass Maria ihn nicht wiedererkannt hat und starrt sie ungläubig an. Der sterbende Andreij kann ihr noch ein paar nette Abschiedsworte sagen, um sich dann in die ewigen Gefilde zu verabschieden. Die Blumen, die sie gepflückt hat, presst sie an sich, um sie dann auf dem Toten niederzulegen. Sie hält ihn für den Leichnam ihres Vaters und singt ihm ein Wiegenlied.
Mazeppa registriert das Chaos seiner Gefühle und entschließt sich der Aufforderung Orliks, die Flucht durch die Ukraine fortzusetzen, um der drohenden Gefangennahme zu entgehen.
Anmerkung:
Die späte Liebe zu seinem Patenkind Maria ist historisch verbürgt. Nach dem Scheitern aller Hoffnungen floh Mazeppa über die türkische Grenze und verstarb bald darauf in Jahre 1709. Sein Gefolgsmann Orlik setzte den Befreiungskampf fort.
Im geschichtlichen Bewusstsein haftet an Mazeppas amoröses Abenteuer mit einer polnischen Dame von Geblüt. Als Strafe wurde er nackt auf sein Pferd gebunden und in die Steppe gejagt. Beide kamen wieder voneinander los. Die Maler konnten von dieser Situation nicht genug bekommen und setzen die Szene immer wieder ins Bild. Von der Kirche exkommuniziert, flocht die Nachwelt dem Freiheitskämpfer Kränze.
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April 2010, Musirony – Engelbert Hellen