Schöne Oper - gern gehört
Michail Glinka [1804-1857]
Ruslan und Ludmila
Phantastische Oper in fünf Akten
russisch gesungen
Libretto von Valerian Schirkow und anderen nach dem Versepos von Alexander Puschkin
Uraufführung am 9. Dezember 1842 in St. Petersdurg
Deutsche Erstaufführung 1950 in Berlin
Dauer etwa 190 Minuten
Charaktere:
Svetozar, Großfürst von Kiew (Bass)
Ludmila, seine Tochter (Sopran)
Ruslan, bevorzugter Freier (Bariton)
Ratmir, der zweite Freier (Mezzosopran)
Farlaf, der dritte Freier (Bass)
Bajan, ein Barde (Tenor)
Gorislawa, Ratmirs Geliebte (Sopran)
Finn, ein Zauberer (Tenor)
Naina, eine Fee (Mezzosopran)
Tschernomor, ein Zwerg, (stumme Rolle)
ein abgeschlagener Riesenkopf (ein Männerchor)
und weitere
Das Geschehen spielt in Russland in legenderer Vergangenheit
GUSLI
HANDLUNG
Erster Akt:
Großfürst Svetozar hat zur Verlobung seiner Tochter Ludmila zum Festgelage in die große Halle der Burg von Kiew eingeladen. Ein Barde sieht es als Aufgabe an, zur Feier des Abends alte Heldengesänge vorzutragen. Er ist aufgefordert, Mut und Kampfkraft des von Ludmila erkorenen Recken gebührend zu loben und die Anmut der Braut ins rechte Licht zu rücken. Je nach Inszenierung liegt seine Gusli auf einem Tischchen oder der Solist trägt das Musikinstrument an einer Bordüre um den Hals. Der Opernchor unterstützt ihn beim Lobpreis des Paares mit eigenem Wortschatz.
Ungezwungen und wohlgefällig im Einklang mit dem Willen des Vaters hat Ludmila den wackeren Ruslan zum zukünftigen Lebensgefährten ausgewählt. Die ausgeschiedenen Kandidaten, der Poet Ratmir aus der Region der Tataren und der ängstliche Farlaf sind auch zur Verlobung geladen, damit beide die Gelegenheit nutzen können, um von ihrem entschwundenen Glück Abstand zu nehmen.
Auch Ludmila überkommt eine wehmütige Stimmung und bedauert, die Stätte ihrer Kindheit bald verlassen zu müssen, um dem Gemahl zu folgen:
„Wehmutsvoll, Väterchen ist mein Sinn!
Wie ein Traum schwand meine Kindheit hin.
Nehmt von mir den trüben Sinn, milde Götter!
Liebe macht das fremde Land mir vertraut.
Steh ich dann hoch an dem Fenster,
wie ich hier getan, dann sing ich
Väterchen dir mein Lied,
von der Liebe mein,
von dem Strom daheim.
Von dem Dnjeprstrom sing ich gern,
und von Kiew, das mir so fern.“
Der Chor versucht Ludmila aufzuheitern. Die Gäste legen dem Paar Glückwünsche in Fülle zu Füßen, jedoch die beiden abgelegten Freier grollen insgeheim und sind emotional nicht geneigt, ihre Ansprüche widerstandslos aufzugeben. In seiner angeborenen Weisheit kündet der Barde von nahendem Unheil, bleibt aber in der Aussage vage und kann den Ablauf zukünftigen Geschehens nicht exakt analysieren. Die Katastrophe kommt nicht – wie einige Opernbesucher vielleicht denken - von den verschmähten Freiern, sondern aus entfernteren russischen Landen.
Zwei monströse Wesen unheimlichen Aussehens stürmen die Halle, packen Ludmila in großer Eile, verpacken sie fachgerecht zum Bündel und nehmen das Paket mit. Vorher erlöschen durch einen starken Windhauch alle Fackeln, so dass man Einzelheiten des Menschenraubes nachträglich nur mühsam rekonstruieren kann.
Der Großfürst fordert die drei anwesenden Recken auf, den beiden Unholden nachzueilen, um ihnen Ludmila zu entreißen. Der Sieger wird sie als Belohnung zur Gemahlin bekommen. Wenn es Ruslan selbst nicht gelingt, die Braut wieder herbeizuschaffen, muss er sich darauf gefasst machen, dass die Verlobung gelöst wird, damit Ludmila zum Ehebund für den Retter frei ist – ein unverhoffter Ansporn für Ratmir und Farlaf.
Die Anwesenden brauchen noch ein Weilchen, um sich aus dem Schockzustand zu lösen bis der Vorhang zum ersten Akt schließt. Der Großfürst ist ergrimmt und kämpft mit seinem Schmerz.
Zweiter Akt:
Ruslan hat sich auf den Weg gemacht, um sich von dem zauberkundigen Finn beraten zu lassen. Dieser versteht Ruslans Liebesschmerz, weil er Ähnliches selbst mit der Fee Naina auch schon durchgemacht hat. In einem umfassenden Monolog erzählt ihm der Einsiedler seine Geschichte.
In seiner Jugend hütete er die Herden seines Vaters und lernte das Mädchen Naina kennen. In die Schönheit verliebte er sich heftig, und er offenbarte ihr, was er für sie empfand.
„Da reckt sie sich auf Mädchenweise
und stolz bedeckt ihr Angesicht.
Wie nebenbei sagt sie ganz leise:
Mein lieber Hirt, ich lieb dich nicht!“
Auf Finn wirkte die unerwartete Absage sehr schmerzhaft. Verzweiflung griff nach seinem Herzen. Er zog in die Welt hinaus, um nach Schätzen Ausschau zu halten - Gold und Edelsteine legte er dem Mädchen zu Füßen. Doch sein Bemühen blieb ohne Wirkung. Finn holt sich abermals eine Absage. Dann suchte er nach neuen Wegen, um ihren Sinn zu wandeln. Er beschäftigte sich zunächst mit Naturheilkunde und versuchte die heilende Wirkung von Blumen und Pflanzen zu erkunden. Er erweiterte sein Wissen auf dem Gebiet der Zauberei, um mit diesen Kenntnissen sein Liebesglück zu erzwingen. Blitze lässt er zucken und wilde Stürme kann er entfalten, so dass er manchmal denkt, er wird sich noch selbst umbringen. Das Studium der Grenzwissenschaften dauerte eine ganze Weile bis er darüber alt geworden ist. Doch auch an Naina hat der Zahn der Zeit nicht halt gemacht:
„Da plötzlich kriegt zu mir ganz sacht
das arme Wesen einer Alten,
ein Höllensturm sich wüst entfacht,
ganz frech hat sie mich angelacht.
Da packte mich der kalte Schrecken,
am liebsten wollt ich mich verstecken.
Das war Naina, hier vor mir -
Von Sinnen schrie ich wie ein Tier:
Naina, was ist mit dir geschehen?
Wer stahl die Jugendblüte dir?
Hinweg ist aller Schönheit Zier!“
Finn lässt Naila stehen, doch dann verfolgte die Erboste ihn mit ihren Rachegelüsten bis an Ende seiner Tage und bedroht die halbe Welt. Überall wo Liebe glüht, zieht sie ins Feld. Sie macht nicht halt an fernen Küsten, Sie hört nicht auf sich geil zu brüsten, wenn treue Liebe niederfällt.
Finn prophezeit dem wissbegierigen Ruslan, dass er dem Spuk ein Ende machen wird. Ein Schwert in seinen starken Händen wird den Zauber, der ihm und seiner Liebe droht, überwinden. Ludmilas freche Feinde wird er nicht mehr fürchten, sobald er sie erst kennt.
„Vernimm, Ruslan, wer dich betrogen:
Der fürchterliche Tschernomor
von seinem Zauberschloss ist er geflogen -
bis dahin kein Mensch drang jemals zuvor!
Von Deinen Händen junger Held,
wird fallen seine Zauberwelt!“
Ruslan bedankt und verabschiedet sich.
SZENENWECHSEL
Die von Finn nun verschmähte Naina taucht auf und trifft auf Farlaf, den dritten Bewerber um die Hand Ludmilas. Das Wandern hat dieser gründlich satt und er reflektiert darüber, ob ihm der holde Blick der Prinzessin es wirklich wert ist, sich in Ungelegenheiten zu stürzen, die zur Folge haben, dass er sich ständig verstecken muss. Immerzu lebt er in Angst und Schrecken, die seine Emotionen auf Trab halten, weil er unaufhörlich gefordert ist, sich zu schützen. Der 'russische Papageno' gewahrt die Alte und - töricht wie er ist, - begegnet er ihr ungalant.
Wer ist diese schreckliche Alte dort? Was hat sie wohl mit ihm im Sinn? Vor Angst schlägt ihm das Herz im Hals. Das böse Lächeln dieser Alten kann doch nur Unheil beinhalten! Naina durchschaut den Tölpel, ist aber nicht wirklich gekränkt, denn sie höhnt:
„Dein Mut, mein Ritter, ist beträchtlich,
doch leider leidest du vergeblich!
Ludmila ist nicht aufzuspüren,
verschwunden hinter tausend Türen.“
Wenn er Ludmila haben will, soll er wieder nach Hause gehen und ein wenig abwarten. Der Recke Ruslan wird das Mädchen finden und dann soll er seinen Charme einsetzen und ihm Ludmila einfach wegnehmen. Die Alte macht ihn noch verrückt! Ihr Hexenblick bedrückt ihn schrecklich. Seine Beine macht sie schlottrig. Sie soll ihm doch endlich sagen, wer sie ist. Nun wenn er es unbedingt wissen will – sie sei die Fee Naina. Was soll die dumme Angst? Sie sei ihm sehr gewogen. Er möge zu Hause warten, bis sie ihm Ludmila zuzaubert. Dann soll er mit dem Mädchen nach Kiew ziehen, denn der Großfürst will ihn ehren und seine Person vor dem Volk erhöhen. Den Ruslan wird Naina sorgfältig verstecken, dann kann er ihn auch nicht erschrecken!
Liebesrausch und Rachedurst wechseln im Gemüt des Einfältigen. Übermütig gibt er sich seinen im Unterbewusstsein schlummernden Gelüsten hin: Ruslan soll erbleichen, er soll gut aufpassen, denn Farlaf beabsichtigt, ihn zu pfählen. Ganz bequem auf seine Weise - still und leise - wird er vorgehen. Der Hochgestimmte redet sich ein, im Moment habe er auf dem Schloss seiner Väter nur zu warten bis die Zauberin sich wieder meldet. Wie schön ist es doch eine mächtige und wohlgesonnene Freundin zu haben. Wie hat er es nur geschafft, die Gute für sich einzunehmen?
SZENENWECHSEL
Sein Verstand macht Ruslan klar, dass er seine mächtigen Feinde nur besiegen kann, wenn er eine geeignete Waffe in der Hand hält. Eine Damaszenerklinge sollte es schon sein, die ihn zum Erfolg führen wird. Im Nebel irrt er geistesabwesend über ein verlassenes Schlachtfeld, um bei den herumliegenden Gerippen nach einer passenden Ausstattung zu suchen. Doch die meisten Schwerter sind ihm zu leichtgewichtig, teilweise sogar verrostet. Geistesabwesend und realitätsfern träumt er davon, wie Ludmila ihm freudig entgegeneilen wird, nachdem er alle Feinde mit seiner Waffe zum Teufel gejagt hat. Wild wie der Nordwind wird er durch Türen und Wände brechen. Mit einem hilfreichen Schwert – das Großmaul muss es erst noch finden - wird er jeden faulen Zauber durchschlagen.
Der Nebel hat sich ein wenig verzogen, als Ruslan wahrnimmt, dass ein überdimensionaler Kopf sich am Rand des Totenackers aufrichtet. Dieser fordert den wilden Mann auf, den Frieden der bleichen Heldengebeine nicht zu stören und er solle Streit woanders suchen. Der Opernbesucher denkt, das Haupt sei die Inkarnation aller auf dem Schlachtfeld Gefallenen, weil seine mahnende Stimme als Chor ertönt. Der gigantische Kopf kündet den mutigen Recken, dass er ihn umblasen wird, wenn er nicht sofort verschwindet. Doch Ruslan lässt sich nicht einschüchtern und durchbohrt dem Warnenden mit seinem Speer die Nasenscheidewand. Ein mächtiges Schwert fällt heraus, exakt die Waffe, die unser Held gebrauchen kann. Im Kampf fiel ihm das Schwert zu, folglich gehört es jetzt ihm, ist seine umwerfende Logik. Der Verlust der Nase war nicht lebensgefährlich und der Riesenkopf entwickelt das Bedürfnis zu plaudern.
„Wir waren Brüder, zwei an der Zahl.
Ich war ein Riese,
stand wie ein Fels in offener Schlacht,
anders mein Bruder, Zwerg Tschernomor:
In seinem langen Bart trägt er Zauber und Gewalt.“
Ruslan kann es nicht glauben, dass Tschernomor der Bruder sein soll. Doch der Riesenschädel plappert weiter. Eigentlich gehörte den Brüdern das Schwert gar nicht. Mit einem Handstreich hatten sie es geraubt, blutig und schnell. Doch die Waffe brachte kein Glück. Jeder der beiden Habgierigen wollte das Schwert allein besitzen und als der Riese sich einmal unachtsam bückte, schlug der Kleinere ihm mit der begehrten Waffe den Kopf ab. Doch das Zauberschwert blieb im Kopf des Riesen haften und verhedderte sich dort. Der Körperteil flog im hohen Bogen durch die Lüfte und landete auf dem verödeten Schlachtfeld. Ruslan darf das Schwert jetzt als Eigentum betrachten, wenn er sich aufmacht, ihn zu rächen und dem bösen Zwerg den Bart abschneidet, dem Urquell seiner Zaubermacht.
Ruslan freut sich. Er weiß nun, wo Ludmila zu finden ist. Mit der kostbaren Waffe in der Hand eilt er der Liebe entgegen.
Dritter Akt:
Die Fee Naina ist gar nicht so böse, wie Finn sie hinstellt. Sie besitzt ein angenehmes Schloss in welchem durchreisende Ritter die Möglichkeit haben, zu übernachten. Die gutbürgerliche Küche geht über den üblichen Geschmack weit hinaus und die angebotenen Lustbarkeiten sind nicht zu verachten. Der Opernchor aus Persien trägt die zu erwartenden Annehmlichkeiten werbewirksam vor.
„Seht, wie das Dunkel schleicht ins Feld!
Spürt wie die kalten Winde jagen!
So hört, ihr Wanderer dieser Welt:
Hier wird Euch Schutz vor Sturm und Klagen!
Hier spannt die Nacht ihr schützend Zelt,
gießt in die Seele süße Träume!
Doch tags – welch Leben füllt die Räume!
Kommt bald und bleibt wie's euch gefällt!
Hier warten Mädchen auserwählt,
sanft, doch im Liebesspiel verwegen,
um keine Gunst sind sie verlegen!
Kommt bald und seid der Lust vermählt!
Hier lebt sie auf, die Märchenwelt:
Wein wird in goldnen Bechern schäumen,
und Honig fließt aus Silberbäumen!
Süße Musik ist schon bestellt!
Hört süßen Harfenklang im Zelt,
seht, wie das Dunkel schleicht ins Feld!“
Naina hat sich in den Kopf gesetzt, dass die beiden Freier Ratmir und Ruslan, die nach Ludmila suchen, im Dunkeln tappen sollen. Ratmir taucht als erstes auf. Die Fee präsentiert ihm seine vormalige Geliebte. Gorislawa ist ein angenehmes Mädchen, ihre Wehklagen sind berechtigt, deshalb steht der Opernbesucher auf ihrer Seite. Er wünscht, dass der Verblendete Prinz Ludmila vergisst und sich seiner alten Liebe wieder zuwendet. Sie war einst die Favoritin in seinem Harem, aus dem sie nach seinem Fortgehen ausgezogen ist, um ihn überall zu suchen. Die wilde Gut, die in ihr brennt, verzehrt sie ganz. Er soll kommen und ihr den Frieden wiederbringen. Ihrer treuen Liebe sprach er Hohn und verließt sie unverhofft. Sie weiß nicht, wohin er gegangen ist. Doch soeben hat sie seine liebe Stimme vernommen. Ratmir vermag Gorislawas Kavantine mit nichtssagenden Worten angemessen zu beantworten.
Doch es stellt sich heraus, dass Ratmir ein Frauenheld ist. Für ihn zählt nur die Schönheit, die er gerade im Arm hält. Die süßen Gespielinnen herrlicher Nächte sollen zum Liebesfest kommen, und ihn nicht dürsten und warten lassen. Schneller Mädchen, beeilt Euch, Ratmir wartet auf euch! Naina hat in der Tat das richtige Umfeld für ihn arrangiert.
Ballett setzt ein, verschleppt und verwirrt die die Handlung. Der Librettist verliert den Faden. Ratmir erkennt seine ehemalige Favoritin nicht wieder und stößt sie weg. Sie sei zwar schön, aber nicht nur sie allein. Von ihrer Schwärmerei soll sie ablassen, sie sei nur ein hübsches Kind von vielen. Ruslan taucht plötzlich ebenfalls auf und sucht am falschen Ort nach Tschernomor. Auch er verfällt dem Reiz der Mädchen. Seinen Widerstand schwindet zusehends, denn der Mädchen Blicke müssen Zauberblitze sein.
Hinter aller dem ganzen Spuk steckt natürlich Naina, die den Sinn beider Ritter völlig durcheinander bringen will, nur um aus Missgunst Unruhe zu stiften. Endlich taucht Finn auf und versucht in den Köpfen der beiden Recken Ordnung zu schaffen. Höchste Zeit, sie an ihre eigentliche Aufgabe zu erinnern, dem bösen Tschernomor das Lebenslicht auszublasen. Naina hat mit ihrer Teufelei den Sieg davon getragen, aber Gorislawa lässt sich nicht abschütteln, hofft aus einen Wandel der Gefühle ihres Prinzen und schließt sich der Gruppe an.
Vierter Akt:
Ein gepflegter Garten schmückt das Anwesen des zauberkundigen Tschernomor. Hierher hat er Ludmila verschleppt, nachdem er sie aus der Burg ihres Vaters gewaltsam entführen ließ. Die Verlobungsfeier mit Ruslan fand ein abruptes Ende und nun trauert des Mädchens Herz um verlorenes Liebesglück. Der Kleinwüchsige wirbt heftig um sie, doch trotz seiner Zaubermacht und des imposanten langen weißen Bartes bildet er keine Alternative zu ihrem tapferen Raufbold. Lieber will sie sterben, als dem Heißgeliebten untreu werden. So gehört sich das, doch der Chor versucht den unfreiwilligen Gast umzustimmen und schmeichelt:
„Beuge dich des Schicksals Fügung,
o du junge Fürstenmaid.
Alles dient dem Reiz der Sinne,
alle Wunden heilt die Zeit,
ringsum herrscht nur Heiterkeit.“
Ludmila ist nicht in Stimmung, sich solche Plattheiten anzuhören. Kaum hat der Liebe Zärtlichkeit ihr junges Herz zum Leben erweckt, wurde sie durch brutale Gewalt vom Geliebten getrennt. Ihr helles Glück verfinsterte sich und verschwand wie Sonnenlicht im Nebel. Wohlgemeinte Geschenke können sie nicht erheitern und die Enttäuschte schlägt Schmuck und Gefäße den Überbringern unmutig und schlecht erzogen aus der Hand.
„Nicht klagen, junge Fürstenmaid!
Dein schönes Antlitz lass erstrahlen!
Sie, dieses Ortes stolzer Herr,
steht dir zu Diensten, bringt dir Gaben.“
Begleitet vom „Marsch des Tschernomor“ kommt der hohe Gebieter mit Pomp und Getöse nun selbst aus seinen Gemächern. Sein ansehnlicher schmucker weißer Bart wird von Negersklaven auf einem Purpurkissen vor ihm hergetragen. Beifall brandet auf und würdevoll nimmt der Zwerg die Huldigungen seiner Domestiken entgegen. Mit türkischen, arabischen und georgischen Tänzen sucht er seine Angebetete, die sich gelangweilt auf dem Diwan räkelt, zu zerstreuen. In der Tat lässt Tschernomor es an Aufmerksamkeit nicht fehlen. Nicht nur leckere Speisen und Getränke hat er herangeschafft, sondern auch für gepflegte Unterhaltung der Gäste ist gesorgt. Damit er in Augenhöhe mit der Prinzessin verkehren kann, steht er auf dem Ruhebett, während sie sitzt. Sie erklärt, dass magisches Blendwerk ihre Seele nicht verführen kann. Das verwegene Scheusal soll von ihr ablassen. Sie sei eine Fürstin und der stolz von ganz Kiew. Der Chor mahnt die Entrüstete, dass schlechte Manieren ihr nichts nützen werden. Tschermonors magischen Gewalten wird sie nicht lange Trotz entgegensetzen.
Ein unerwartetes Ereignis kündigt sich an. Ruslan hat sich gewaltsam Zutritt zum Zauberschloss verschafft. Tschernomor begreift blitzschnell, dass schwerer Hausfriedensbruch vorliegt, hält Ludmila eine Zaubernelke unter sie Nase und versetzt sie in ein künstliches Koma. Dann schwingt er seine Zauberpeitsche und bewegt sich mutig auf den Störenfried zu, weiß allerdings noch nicht, dass dieser das Zauberschwert gewonnen hat. Ruslan greift nach der Spitze des Bartes und zieht den Gnom mit einiger Mühe zu sich heran. Dieser setzt sich mit seiner auf und ab schwingenden magischen Peitsche zur Wehr, kann aber nicht verhindern, dass Ruslan mit einem gewaltigen Schwertstreich sich des Zauberbartes bemächtigt. Der gewissenlose Zauberer ist besiegt und mit Ratmir und Gorislawa begibt man sich zu Ludmila, die auch durch heftiges Rütteln aus ihrer Narkose nicht erwacht. Ruslan bestimmt nun, dass man sich der Heimat zuwenden soll. Heilkundige Männer sollen Ludmilas Schlaf bannen, andernfalls bleibt nur traurige Klage. Die lustige Abendgesellschaft versinkt in Agonie, weil keiner weiß wie das lustige Leben weitergehen soll.
Fünfter Akt:
Ratmir bewacht das Nachtlager – eher schlecht als recht - denn in Gedanken ist er bei Gorislawa, mit der er ein neues Leben beginnen will. Ludmila, o Schreck, wird erneut geraubt. Finn ist zur Gruppe gestoßen und kennt bereits die Übeltäter. Naina ist die Anstifterin und Farlaf mit ihr im Bunde. Der erschöpfte Ruslan, an dessen Seite die Narkosierte in der Mondnacht lag, hat sich unverzüglich auf die Verfolgung begeben. Finn spendet Trost, in Kiew wird man sich wiedersehen!
SZENENWECHSEL
In der großen Halle liegt die schlafende Ludmila auf einem Ruhebett und alles glotzt, doch der Chor findet wieder einmal die passenden Worte:
„Schönstes Licht, Ludmila, wache auf, erstrahle!
Ach warum sind diese blauen Augen
Sternen gleich verloschen,
hingewelkt in ihrer Liebreiz Jugend Schönheit
uns so früh genommen?
Wie viel Leid! Schmerzenstag! Wer hilft hier?
Lähmender schrecklicher furchtbarer Zauberschlaf.“
Großfürst Swetosar macht Farlaf, der sich von Naina verraten fühlt, für das Unglück verantwortlich. Der Geängstigte schwebt in tausend Nöten, weil er Rechenschaft ablegen soll, weshalb Ludmila die ganze Zeit schläft. In höchster Not erscheinen Ruslan und die übrigen. Finn besitzt einen kostbaren Ring, der auch Tote zum Leben erwecken kann. Man lässt das Schmuckstück um Ludmilas Haupt kreisen und, o Wunder, das Mädchen wacht auf.
Die Liebenden fallen sich in die Arme. Die schmerzensreiche Trennungszeit ist vorbei. Freude rührt mit hellem Strahl die Herzen. In Ratmir und Gorislawa erwacht der Nachahmungstrieb und sie umarmen sich ebenfalls. Farlaf tritt zum Schlussapplaus mit Naina vor den Vorhang. Was ist mit Tschernomor? Als Trophäe schmückt sein schlohweißer Bart die Pickelhaube Ruslans und flattert lustig im Wind.
***
musirony 2010 – Engelbert Hellen