Charaktere:
Thaddeus, polnischer Graf (Tenor)
Der Gouverneur von Pressburg (Bariton)
Alina, Zigeunermädchen, geraubte Tochter des Gouverneurs (Sopran)
INHALTSANGABE
Es ist die Welt der Zigeuner, in der Alina aufwächst. Als kleines Mädchen wurde sie geraubt, und es fehlt das Bewusstsein ihrer edlen Herkunft. Alina wird verdächtigt, einem Edelmann Schmuck gestohlen zu haben und vor Gericht gestellt. Den Vorsitz hat der Gouverneur von Pressburg, der in Arlina seine verloren geglaubte Tochter wiederkennt. Der Freispruch bleibt nicht aus. Dem polnischen Grafen Thaddeus werden seine politischen Ränke verziehen und er bekommt Arlina, die er schon immer liebte, zur Frau. Alle Anwesenden sind unsäglich gerührt.
Anmerkung:
Man weiß heute nicht mehr, was die Ursachen waren, warum gerade diese Oper eine solche Resonanz auslöste. Das Libretto ist nicht besonders originell, und Balfes Komposition dürfte in einer Zeit, in welcher das Dreigestirn Rossini – Donizetti - Bellini seine animalischen Instinkte auf der Opernbühne austobte, eher unscheinbar und angepasst gewesen sein. Man vergesse nicht, dass der oppositionelle junge Verdi, heißblütig und vital, mit einfallsreicher Melodik und hämmernden Rhythmen die Gemüter einheizte. Richard Wagner hatte seinen Tannhäuser-Skandal in Paris. Giacomo Meyerbeer versorgte die Bühnen der Welt mit historischen Schinken. Gegen diese erdrückende Übermacht mit nur einem oder zwei Werken zu bestehen, gelang nur wenigen zeitgenössischen Komponisten.
Balfe hatte keine Probleme, die prominentesten Opernstars für seine Schöpfungen zu begeistern. Guglielmo, wie die Italiener ihn liebevoll nannten, - charmant und talentiert - war mit der Pasta, mit der Grisi und mit der Malibran eng befreundet. Hilfsweise konnte seine Gemahlin, die Sängerin Lina Roser-Balfe, ebenfalls berühmt und gefragt, mit ihm neue Partien einstudieren Er war fähig, ob - Barbier oder Bösewicht - die Bariton-Partien selbst zu übernehmen.
Gewiss, es war die erste englischsprachige romantische Oper von Bedeutung, aber mit einem Überschwappen auf den Kontinent und mit ständig wachsenden weltweiten Aufführungen hat selbst der Komponist nicht gerechnet.
Was war es also, was die Menschen faszinierte am böhmischen Mädchen? Zigeunerinnen hatten auf der Musikbühne immer einen hohen Stellenwert. Nicht alle waren rassig. Azucena fiel die Mutterrolle zu, Ulrica war eine Wahrsagerin, Mignon tritt eher bescheiden auf, Saffi weiß um die Kunst der Verführung. Die Inkarnation aller Zigeunerinnen ist die rassige Carmen, in ihrer Leidenschaft, in ihrer Lebensfreude und in ihrer Furchtlosigkeit, in allem folgte sie bedingungslos ihrem Schicksal. Doch Carmen hatte ihre Premiere erst 1875. Mignon, die dem böhmischen Mädchen wohl am nächsten kommt – beide sind in Wirklichkeit höhere Töchter und nur umständehalber verkleidete Zigeunerinnen - feierte ihren Geburtstag erst im Jahre 1866.
Es ist die tief im Unbewussten schlummernde Sehnsucht des Menschen, frei zu sein, von Zwängen der Etikette, der Gesellschaft, der Kleidung und der Sesshaftigkeit. Zigeuner sind frei, ziehen mit einem Wohnwagen umher und tanzen den ganzen Tag Tarantella oder Flamenco. War es diese Klischeevorstellung des Menschen nach Freiheit? Hatte der Kosmopolit Balfe diesen Nerv getroffen? Balfe schuf die Oper auf einer Reise nach England, als er in Paris lebte. Napoleon III. war derart begeistert, dass Balfe das Kreuz der Legion d`honeure verliehen bekam.
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musirony 2005 - Engelbert Hellen