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Zauber des Balletts
Werner Egk [1901-1983]
ABRAXAS
Ein Faust-Ballett in fünf Bildern nach Heinrich Heine
komponiert zwischen 1945 und 1948,
Libretto vom Komponisten,
Zeitdauer etwa 60 Minuten
URAUFFÜHRUNG: am 6. Juni 1948 im Prinzregententheater , München
CHOREOGRAPHIE: Marcel Luipart
BÜHNENBILD: Wolfgan Znamenáček
KOSTÜME: Elly Ohms
ENSEMBLE: Ballett der Bayrischen Staatsoper
AUSFÜRENDE: Solange Schwarz - Marcel Luipart - Irina Kladiwowa - Nila Nikanowa
Darsteller:
Faust, ein berühmter mittelalterlicher Gelehrter mit dem Hang zum Übersinnlichen
Archiposa, Geliebte des Teufels, als Trugbild die Herzogin von Parma
Bellastriga, Hexe in der Rolle eines weiblichen Mephisto
Margarethe, ein einfaches Mädchen aus dem Volk
Helena, die schönste Blondine des Altertums, Darstellung auch als Gerippe
Satanas, der Höllenfürst
Ein Tiger, wild und bedrohlich
Eine Schlange, tückisch und gefährtlich
Marbuel, ein Kinderteufel
Karl IV., König von Spanien
Hector, trojanischer Heros, kampflustig
Achill, griechischer Heros, kampflustig
Jupiter, als Stier der Entführer Europas
Europa, das Entführungsopfer
und weitere
Ort und Zeit: Das15. Jahrhundert
in Deutschland, Spanien und außerhalb der Realität.
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HINTERGRUNDINFORMATION
DIE HANDLUNG
ERSTES BILD:
Der Pakt
Wenn ein Magier in die Jahre kommt und an Versuchen schon etliches ausprobiert hat, plagen ihn verrückte Gedanken. Er will Dinge erfahren, die ihm eigentlich verborgen bleiben sollten. Konkret ausgedrückt, welche Erkenntnisse er noch sammeln will, weiß er nicht genau und verlässt sich auf das Experimentieren. Der mittelalterliche Gelehrte Doktor Johann FAUST versucht über die Magie und sonstige obskure Wissenschaften mittels Beschwörung den Kontakt mit der Unterwelt herzustellen. Das Zauberwort, welches er immerzu wiederholt, heißt 'Abraxas'. Es stammt auf frühchristlicher Zeit, in der die Gnostiker auf der Suche nach exklusiven Erkenntnissen über eine jenseitige Welt unterwegs waren. In jungen Jahren ist der Magister als Astrologe, Magier und Wahrsager durch die deutschen Lande gereist. Furcht vor dem Höllenfeuer hat Johann nicht. Es gibt nun einmal Menschen, die gegen Hitze unempfindlich sind.
Die Versuche, die er anstellt, schlagen zunächst erst einmal fehl, weil Johann seine Lektionen nicht richtig gelernt hat. Auf der erhöhten Plattform erscheint ein Tiger, der durch wilden Tanz Geschmeidigkeit und Bedrohlichkeit zum Ausdruck bringt. Der Magier ist unbeeindruckt und scheucht ihn weg. Beim nächsten Versuch erscheint eine Schlange, tückisch und gefährlich. Auch nicht das Richtige! Der Alte lässt sie wieder verschwinden. Unerwartet erscheint beim dritten Aufruf eine strahlende Ballerina. Faust weiß nicht, dass es sich um eine Hexe handelt, die ihm einen Kontrakt mit der Hölle aufschwatzen will. Er ist beunruhigt und möchte sie auslöschen, aber sie widersteht seinen eher bescheiden anmutenden magischen Künsten, die völlig versagen. Sie nennt sich Bellastriga und wird nicht mehr von seiner Seite weichen. Aber leicht hat sie es auch nicht, den Widerstrebenden in den Griff zu bekommen und erzwingt einen Pas de deux mit ihm. Um seine Abwehrhaltung zu schwächen, holt sie sich Verstärkung. Es ist Archisposa, die Höllenfürstin. Sie trägt einen goldenen Schuh und ist die Geliebte des Teufels. Nun, warum sollte der Höllenfürst keine Geliebte haben dürfen. Der Ballettbesucher sollte ihm dieses Vergnügen schon zugestehen. Vielleicht wird durch eine feste Bindung die Gesinnung zu den Inhaftierten liebenswürdiger. In faszinierendem Glimmer tanzt sie auf der erhöhten Plattform ihre Variation. Der Alte ist entzückt und möchte die Erscheinung auf Dauer festhalten. Leider versagen seine magischen Kräfte erneut. Die Lichtgestalt verschwindet wie ein Dunst ohne sich ordentlich zu verabschieden. Die Stunde Bellastrigas ist gekommen. Sie nutzt Fausts heißes Begehren, um ihm einen Pakt mit der Hölle anzubieten. Falls er akzeptiert, bekommt er seine Jugend zurück, dazu Wunderkräfte, Glück in der Liebe und unbeschränkte Reisefreiheit. Über die Gegenleistung wird nicht gesprochen. Faust unterschreibt und Archisposa erscheint erneut in strahlendem Glanz. Sie ist großzügig und beabsichtigt, ihm einen kostbaren Ring zu schenken. Um den physikalischen Höhenunterschied auszugleichen, fasst Faust sich ein Herz und hebt Bellastriga auf seine Schultern. Diese nimmt den Ring von Archisposa entgegen und steckt das Schmuckstück dem in heißer Liebe Entbrannten auf den Ringfinger. Damit ist der Pakt mit der Hölle besiegelt und die Belohnung fällig.
ZWEITES BILD:
Die Verstrickung
Das erste Abenteuer beginnt in Spanien am Hofe König Karl IV. Unangemeldet, aber nicht unwillkommen, erscheinen Faust und Bellastriga zum Ball. Die beiden benehmen sich ebenso souverän wie ungezwungen und versuchen den Bann von Zurückhaltung, der ihr unverhofftes Erscheinen auslöst, zu brechen. Ganz besonders widmet sich Bellastriga dem König, was diesem schmeichelt. Die Frau Gemahlin lässt er aus den Augen, eine Situation, die Faust sich zunutze macht. Er wendet sich der Königin zu, in der er zu seinem Erstaunen Archisposa erkennt. Sie gibt der Musikkapelle ein Zeichen, damit getanzt werden kann. Sie wählt sich den jugendlichen Faust, während der König durch Bellastriga ausreichend abgelenkt ist. Magische Bilder, durch seine Zauberkunst heraufbeschworen, ist sein Beitrag zur exklusiven Abendunterhaltung. Personen der Antike stellen eine Szene aus ihrem Leben vor. In einer Rückblende kämpfen Hektor und Achilles miteinander. Zeus, als Stier verkleidet, entführt die phönikische Nymphe Europa. Der Hof freut sich, bei diesen Ereignissen dabei sein zu dürfen und applaudiert.
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Die nachfolgende Szene dürfte in seiner Taktlosigkeit ein kleiner Missgriff sein. Faust und seine Tanzpartnerin haben sich dupliziert und sind auf der Showbühne noch einmal vertreten. Als Spiegelbild treibt der Liebeshungrige mit der Herzogin und Gemahlin des Königs erotischen Schabernack und ruft allgemeine Empörung hervor. Die Emotion der Entrüsteten erreicht Ausmaße, so dass Bellastrigas magische Schranke dem Ansturm auf das Paar keinen Schutz mehr bieten kann. Das Spiegelbild löst sich kurzerhand auf und im Tumult gelingt es Faust, die Königin von Spanien zu entführen. Der König, allein auf der Bühne, stürzt in Verwirrung.
DRITTES BILD:
Pandämonium
Der Höllenfürst, im Ballett als Satanas bezeichnet, hält Hof. Wie alle Herrscher sitzt er gern auf einem Thron und hat sich mit Hofstaat der merkwürdigsten Art umgeben. Zu nennen wäre der Tiger und die Schlange, die der Ballettbesucher aus dem ersten Akt schon kennt. Bellastriga und Marbuel, ein Kinderteufel, gehören ebenfalls dazu. Ein Kinderteufel wird in der Hölle geboren. Noch jung an Jahren sind seine Hörner noch nicht voll ausgebildet, aber an Sexspielen darf er schon teilnehmen. Der bayrische Kultusminister, Herr Hundhammer, war allerdings anderer Auffassung. Er ließ die Aufführung aus sittlichen Erwägungen verbieten. In Berlin legte man das Jugendschutzgesetz großzügiger aus und nahm Abraxas 1949 in den Spielplan. Die höllische Gesellschaft tanzt sich in einen Liebestaumel hinein, an dem auch Faust und Archisposa teilnehmen. Ineinander verschlungen stürzen sie zu Boden. Bellastriga, die Schlange, der Tiger und der Kinderteufel vereinigen sich zu einem Pas de quatre der Lasterhaftigkeit. Zuviel der Sünde auf einem Fleck für unseren Herrn Faust! Er wendet sich von Archisposa ab. Es kommt zwischen beiden zum Streit. Satanas spricht ein Machtwort und befiehlt die Widerstrebende zu sich an seine Seite. Dem Herrn und Meister wird von allen Seiten gehuldigt. Faust geht der Spektakel über seine physischen Kräfte. Er hat erkannt, dass Archisposa die Geliebte des Teufels ist. Nun versucht er, dem Hexensabbat zu entfliehen, kann aber Bellastriga nicht abschütteln. Archisposa möchte auch mitkommen, wird aber von den Tanzenden an der Fortbewegung gehindert und in den Wirbel des Bacchanals zurückgezogen.
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VIERTES BILD:
Das Trugbild
Faust hat Archisposa gegen die schöne Helena eingetauscht. Er ruht mit ihr auf einem wonnigen Lager und gibt sich Harmonie und Liebesglück hin. Sie sind nicht allein, denn Bellastriga hat es übernommen, das Glück der beiden zeremoniell zu begleiten. Gefährten und Gefährtinnen der schönen Helena mischen sich mit einer Gruppe von Bacchanten und Bacchantinnen, die von Archisposa geleitet werden, so dass der Spektakel dem des dritten Bildes kaum nachsteht. Faust wird unruhig, denn er spürt, dass die eifersüchtige Archisposa Ränke plant. Sie greift nach ihm und er versucht, zu entwischen. Plötzlich geht die Beleuchtung aus und als es wieder hell wird, sind die Gruppe der Bacchantinnen und die beiden höllischen Damen verschwunden. Helena – oh wie schaurig – hat sich in ein Skelett verwandelt, was aber nicht heißt, dass sie auch bewegungsunfähig wäre. Mit sehnsüchtiger Umklammerung versucht sie, ihn auf das Lager zu ziehen, was dem Begehrten angesichts ihrer Metamorphose Unbehagen einflößt. Die Gefährten Helenas befinden sich in gleichem beklagenswerten Zustand und versuchen, durch Tanz und Frohsinn der Situation noch etwas abzugewinnen. Faust, zutiefst erschrocken, gelingt die Flucht in die Dunkelheit.
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FÜNFTES BILD:
Die Begleichung
Was wäre Faust ohne Margarethe? Heinrich Heine hat sich das naive Mädchen aus dem Volke für den Schluss aufgehoben. Der Mummenschanz auf dem Faschingstreiben überschreitet seine Grenzen. Die von der Menge verfolgte Margarethe findet in dem jungen Faust einen Beschützer. Sie tanzen zusammen und Bellastriga, die dem Paar ständig auf den Fersen ist, kann als Höllengeist mit der Unschuld eines Landmädchens, die in Faust zarte Gefühle der besonderen Art geweckt hat, nicht konkurrieren. Sie erkennt in Margarete eine gefährliche Rivalin. Diese erschrickt über die plumpen Annährerungen Bellastrigas, die sich ständig zwischen sie drängt. Faust muss maskuline Kräfte einsetzen, um sie aus der Nähe zu entfernen. Als Unterpfand ihrer Liebe schenkt Margarethe ihrem Beschützer ein Medaillon. Plötzlich stürzen Bellastriga und Archisposa, die um die Einhaltung des Paktes fürchten, herbei und veranlassen Margarethe, die Flucht zu ergreifen.
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Das Dokument wird Faust vorgelegt und wutentbrannt zerreißt er es in Stücke. Doch die Gaben der Hölle sind nicht kostenlos. Blitzschnell zieht Archisposa ihm den Ring vom Finger. Die Szenerie verdunkelt sich und Faust ist in seine frühere Gestalt zurückverwandelt. Das Volksfest bekommt neuen Zulauf. Es erscheinen die Schlange, der Tiger und der Kinderteufel. Angelockt durch die beiden temperamentvollen Tänzerinnen strömen viele Ortsfremde hinzu. Da sie vermummt sind, können sie nicht als Höllengeister ausgemacht werden und das Volk hält sie für Gaukler. Faust findet in dem Gedränge Margarethe, die ihn zurückstößt, weil sie ihn nicht wiedererkennt. Faust ist sich seiner Metamorphose nicht bewusst, bis er einen Spiegel vorgehalten bekommt. Nun erkennt er seine Tragödie, kann sich bei Margarethe aber mit dem Medaillon ausweisen.
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Die Menge macht sich einen Spaß daraus, das Paar zu trennen und wieder zusammenzuführen. Die beiden Hexen heizen die Stimmung zu einer infernalischen Orgie an. Für Faust und Margarethe gibt es kein Entrinnen. Sie werden von der Menge totgetrampelt.
Anmerkung:
Werner Egk bietet eine zeitgemäße Bühnenbehandlung des Faust-Stoffes und nimmt Bezug zu Heinrich Heines literarischer Vorlage ‚Der Doktor Faust’ aus dem Jahre 1847. Unterstützt von dem prägnanten Szenarium und der ausdrucksvoll melodischen dezenten modernen Musik Egks schuf Marcel Luitpart eine effektvolle Choreographie auf der Basis des klassischen Tanzes. Die gefeierte Uraufführung war das erste große Ballettereignis in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und mit international berühmten Tänzern besetzt. Ins Bewusstsein der Bevölkerung geriet das Stück wegen eines Skandals. Nach fünf Aufführungen wurden weitere Aufführungen vom Bayrischen Kultusministerium verboten, weil der dritte Akt von den Staatsbeamten als zu extrem wahrgenommen wurde. Berlin war weniger zimperlich.
Abraxas, war im Mittelalter ein Zauberwort für Beschwörungsformeln im Bereich der Mystik und schwarzen Magie und stammte noch aus frühchristlicher Zeit. Der historisch Faust lebte im 15. Jahrhundert und man kannte ihn als wandernden Magier, Astrologen und Wahrsager.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen
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