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Schöne Oper - kaum bekannt



Telemach und sein Mentor

Fernando Sor [1778-1839]

Telemach
auf der Insel der Kalypso

Il Telemaco nell'isola di Calipso


 
Oper in einem Aufzug

Libretto von Capece

Nach dem pädagogischen Werk “Les aventures de Télémaque" des Erzbischofs Fénelon

Uraufführung am 25. August 1797 in Barcelona


Charaktere:
Telemaco, Sohn des Odysseuss (Tenor)
Mentor, sein Lehrer (Bariton)
Calypso, Nymphe und Herrscherin der Insel Ogygia
Eucaris, eine Gesellschafterin

Die Handlung spiet im Mittelmeerraum auf der Insel Gozo





INHALTSANGABE

VORSPIEL

1
Lieblicher Dschungel und freundliche Pflanzen trösten ihn in seinem Leid und dämpfen seinen Verdruss. Es gibt so manches, was sein Mut nicht bewältigen kann. Der Prinz von Ithaka kommt sich verlassen vor und Kalypso versucht auf ihre professionelle Art, ihn zu manipulieren.

2
Die Letztgenannte fürchtet den kompletten Wahnsinn nicht, denn sie nimmt ihn gar nicht wahr. Den blöden Hochmut, die Kraft ihres Stolzes, muss er lernen zu respektieren. Sein arroganter Kopf wird sich vor ihrer Souveränität beugen müssen. Alternativ könnte sie ihm mit Ärger begegnen und Rache an den Beleidigungen nehmen, die er ihr zufügt. Liebende Seelen sind von großer Festigkeit. Telemach soll kommen und lernen, wie man sein Herz gegen Widrigkeiten unempfindlich macht!


Eucaris opponiert und bittet sich Ruhe aus. Die Luft, die zwischen den beiden Streithammeln geatmet wird, sei stickig. Jedoch der liebliche Strand verzeichnet Erfolge, wie  das stürmische ihn Meer zu versöhnen sucht. Der Librettist äußert sich nicht, wer Eucaris ist. Vermutlich wurde sie dem Prinzen als Gesellschaftsdame beigegeben, weil es ihm nicht zuzumuten gewesen wäre, das Lager jede Nacht mit seinem Lehrer zu teilen. Zu Beginn seiner Reise auf der Suche nach seinem Vater Odysseus konnte er nicht wissen, dass er auf die Nymphe Kalypso stoßen würde.

4
Kalypso fühlt sich wieder einmal elend und bezeichnet den schäbigen Inselbesucher als grausames Monster. Irgendwann wird er ohnehin beschließen, den boshaften Sternen den Rücken zu kehren. Danach ist sie allein, ihrem Schicksal überlassen. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als die Götter um einen Tod zu bitten, der einer der grausamsten sein wird, den es gibt. Der Schurke dagegen wird leben und zu allem Überfluss ihre Liebe auch noch verraten. Mehr noch, er wird mit seinen Triumphen, sie besessen zu haben, großartig prahlen. Grausam ist der Status, den die Götter ihr zugedacht haben. Doch damit nicht genug. Aufleuchten wird eines Tages ihre Asche am Meeresstrand. Der verachtenswerte Wind lässt die Wogen gegen die Felsen branden und ein Sturm wird all ihre Wünsche auslöschen. Wenn sie stirbt, wird die ganze Wut des Himmels auf ihren Kopf fallen. Die grausamen und rebellierenden Sterne will Kalypso zusammenrufen, damit sie ihr Leid, welches sie ihnen klagen wird, zumindest zur Kenntnis nehmen.

5
Kalypso wünscht sich von den Göttern Courage. Wenn sie stirbt wird sie vermutlich von den Strahlen des Tages erschrocken sein. Der Eindruck des Todes ist schon jetzt um sie herum zu spüren. Sie kann nicht mehr korrekt sehen, Delirium und Schrecken verfolgen sie. Ihr unglückliches Schicksal erträgt sie nicht länger. Die Götter der Hölle sollen die Erde öffnen, sie verschlucken und in ihrem Bauch verbergen. Der schwarze Horror schließt sie dann ein.

6
Nun verlegt Kalypso sich aufs Bitten. Der Liebste soll sie nicht verlassen.
„Telemaco, mio core, non ti stacar di me.”

7
Mentor taucht auf und hat einen flotten Spruch dabei:

L’alma gelar mi sento,
Mi sento il cor mancar
Oh! Che fatal momento,
che sfortunator amor…"


  Daumier: Die verlassene Kalypso

Also: Seine süße Hoffnung fühlt er wiedergeboren. Schöne Beständigkeit gibt ihm Zufriedenheit, damit seine verlassene Seele sich mit Leben füllt. Inhaltlich passt die Poesie zur Situation überhaupt nicht.

8
Kalypso und Telemach beachten ihn nicht. Anstelle eines Liebesduetts streiten sie sich wie gewohnt, denn Telemach will abreisen. „Calipso addio“. Er soll nicht weggehen. Sie bietet ihm als Preis für seine Beständigkeit die Unsterblichkeit. Das hat gerade noch gefehlt! Die angebliche Göttin soll ihn nicht länger plagen. Ein solch grausames Schicksal, auf der Insel noch länger zu verweilen, möchte er sich nicht zumuten. Seine Ruhe und Friedfertigkeit ist längst zum Teufel. Sie soll ihn doch ganz einfach töten, falls ihr das Spaß macht. Wieso versucht sie nicht letzthin - auch in eigenem Interesse - die Lebensqualität auf der Insel zu verbessern? Im Gegensatz zur Circe hat sie in ihrer Eigenschaft als Göttin wohl abgewirtschaftet.

9
Was hat der Schurke gesagt? Er hofft, dass sie irgendwann glücklich wird, selbst wenn es noch dreitausend Jahre dauern wird, bis die Touristen kommen. Hat er sein Herz etwa von ihrer Brust zurückgezogen? Kalypso soll nicht solche schlimmen Worte sagen.

L’alma gelar mi sento,
Mi sento il cor mancar
Oh! Che fatal momento,
che sfortunator amor…” 

Also: Die Verzweifelte fühlt, dass ihre Seele erfroren ist und ihr Herz bricht. Sie empfindet Furchtbares und der Moment ist fatal, weil sie sich ihrer unglücklichen Liebe bewusst wird. Welche Torturen, welche Härte! Kalypso wiederholt immer zu die gleichen Worte, um ihren Liebling umzustimmen.

10
Bei Mentor, der im Prinzip als Hauslehrer für Telemachos engagiert ist, weiß man nie so genau, ob sich nicht zeitweilig die Göttin Athene seines Hirns und seines Körpers bemächtigt, um ohne großes Zeremoniell ihre eigenen Weisheiten dem Prinzen von Ithaka unter den Lockenkopf zu platzieren

Was ist das für ein Land? Tödliches Gift wird nirgendwo auf tausend unterschiedlichen Wegen süßer in die Seele geträufelt. Es ist die Woge, es ist die Brise in dieser unfreundlichen Wildnis. Mentor möchte aufbrechen, denn Verweilen sei zu gefährlich. Was tut sein unartiger Sohn? Seine Hoffnung ist ohnehin verraten. Des Lehrers Bemühungen waren hilflos. Sein korruptes Herz hat ihm einen Streich gespielt. Die Sympathie für Kalypso ist nicht das Ende seines Schicksals, welches von tausend Sorgen begleitet wird. Sein Herz wehrt sich nun gegen einen weiteren Aufenthalt, denn er fühlt, dass es sich bewegt. Aus dem Innern des Erziehers spricht all seine väterliche Liebe. Auch in seiner Drangsal fühlt er immer noch Sympathie für ihn und er wird zu ihm halten. Das gehört sich auch so, lieber Mentor. Die Verachtenswerte – gemeint ist Kalypso - soll leiden in ihrem Delirium. Verloren, erniedrigt, verzweifelt soll sie zurückbleiben und ihren Ärger dem Himmel klagen.

11
Doch Kalypso gibt so schnell nicht auf und beschimpft den Abreisewilligen als Lügenmaul. Von einer Liebenden, die trotz aller Zweifel in Treue zu ihm hielt, aber verraten wurde, hat der Undankbare nichts zu bekommen. Telemach ist es leid, noch mehr Zeit zu verschwenden. Er erklärt ausdrücklich, dass er nicht bleiben wird.

12
Kalypso sieht, dass sie den Liebhaber nicht halten kann und gibt auf: „Parti, parti, crudel tiranno!“. Von Küste zu Küste soll er eilen und nirgendwo Unterschlupf finden. Kalypso schwört es, so wahr sie eine Göttin sei. Ihr Herz bietet sie als Pfand für ihren Eid.

Finale

Das Trio braucht noch ein Weilchen bis es abreisefertig ist. „Ah, questo cor, oh ciel tiranno, e il più funesto amor.”

Anmerkung: 

Ferran Sor - wie sein Name korrekt lautet - hätte am liebsten als Opernkomponist geglänzt. Doch dazu waren die Ansätze einfach zu schwach. Das Textbuch zu seinem Opernerstling hat das Volumen einer Kantate und muss durch ständiges Widerholen der gleichen Arie auf Format getrimmt werden. Das Handlungsgeschehen stellt sich als wenig ergiebig heraus und der Katalane, der es mit seinen Kompositionen für Gitarre zur Weltgeltung gebracht hat, darf froh sein, dass es nach der Premiere in Barcelona immerhin noch zu 25 Aufführungen gekommen ist.

In jüngerer Zeit hat man das kleine Werk mit Unterstützung der "Fundavio Caixa Caralunya" als Mäzen mit positivem Resultat wieder hervorgezaubert. Mit katalanischen Solisten, die aber das liebenswerte Stück leider in italienischer Sprache bringen und sich damit an die Gepflogenheit der damaligen Zeit halten, hat man eine Pionierleistung vollbracht. Sors Komposition bietet bedeutend mehr, als das sparsame Libretto ahnen lässt. Stimmlich gesehen ist die Ausgrabung ein kleiner Leckerbissen.

Inhaltlich dreht sich das Stück um den Sohn des Odysseus, der auf der Suche nach seinem verschollenen Vater auch in die Fänge der Nymphe Kalypso gerät. Der König von Ithaka hat es sieben Jahre in ihrer Grotte ausgehalten. Auf der Insel Gozo ist der Platz an der Nordküste heute noch zu besichtigen. Für Telemach kommt ein längerer Aufenthalt auf der Insel nicht in Frage, weil es hier zwar frisches Quellwasser aber kein gesellschaftliches Leben gibt. Zum Verdruss der Nymphe reist der Undankbare mit seinem Lehrer schon bald wieder ab.

***
musirony 2008 - Engelbert Hellen

 

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