Schöne Oper – kaum bekannt
Jesús Guridi [1886-1961]
Amaya
Lyrisches Drama in drei Akten und einem Epilog
baskisch gesungen
Baskisches Libretto von Fr. José de Arrúe
in Anlehnung an die spanische Vorgabe von José Maria Arroita Jáureguinach einer spanischen Novelle gleichen Namens von Navarro Villoslada
Fertiggestellt und uraufgeführt 1920
Dauer etwa 140min
Characktere:
Amaya – (Sopran)
Amagoia – (Mezzosopran)
Teodosio – (Tenor)
Asier – (Bass)
Miguel – (Bariton)
Plácida – (Sopran)
Olalla – (Mezzosopran)
Bote Asiers – Bariton
Ein Ältester -
Zwei Rekruten –
Zwei Schäfer –
PART 2
FORTSETZUNG von Blatt 1
HANDLUNG
Dritter Akt: VERGELTUNG
Teodosio ist in niedergedrückter Stimmung und legt mit seinen beiden Rekruten im Gebirge, um eine Kleinigkeit zu essen, eine kurze Rast ein. Er denkt an das betrübliche Los seiner Braut, die von der Mutter auf die Stirn geküsst, in die Bettkammer geleitet wird und nun dort ganz allein liegt. Die beiden Jungen fangen seine Stimmung auf und singen das Lied von Lelo, die nun tot ist; Zara, der Verräter, nahm ihr das Leben. Warum singen sie dieses traurige Lied, fragt Teodosio. Kennt er das Schicksal des Mädchens nicht? Die Kinder lernen diesen Reim von ihren Eltern. Es gibt in Vasconia kein Lied, welches öfter gesungen wird!
Teodosio ist das Lied von Lelo, die das Opfer ihrer Untreue wurde, nicht neu. Und nun ist sie tot, aber sie liebte ihren Gemahl, bevor sie auf Zara traf. Amaya liebte Asier, dem sie versprochen war. Sie glaubte ihn tot und vergaß ihn, aber sie täuschte sich – er lebte. Und dann hat sie erfahren, dass er im Leben Erfolg hatte und entbrannte erneut in Liebe zu ihm, nachdem er pausenlos um sie herumgeschlichen war.
Ach, hinweg mit den infernalischen Gedanken! Amaya ist ehrenwert und wahr. Das heilige Taufwasser tropfte von ihrer Stirn und sie liebt ihn. Hat er nicht oft genug in ihre Augen geschaut und die Liebesglut darin gesehen? Sie vertraute sich seiner Obhut an, keusch und couragiert war sie in der weiten Nacht des Vollmonds und als sie sich unter den Bäumen von Jaureguía unterhielten, wie erglänzten ihre Augen! Wie sie kämpfte um ihre Verlegenheit zu verbergen! Die Röte stieg ihr in die Wangen, wenn sie sagte: „Ich liebe Dich!“ Welche süße Musik erklang in seinen Ohren, wenn ihre Lippen seinen Namen formulierten. Vergib mir, meine Amaya, wenn du allein in der Bettkammer vor dich hin weinst und inbrünstig zu Gott betest. Ich kränkte dich mit barbarischem Verdacht. Wie konnte er nur an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln? Mögen gute Erinnerungen von ihr auf ihn treffen. Mag sein, wenn ich in der Schlacht meinen Mann stehe, dass ihr Name mein Schlachtruf sein wird. „Steht auf, ihr Faulenzer! Auf geht es! Wir haben genug gerastet!“
Zweite Szene:
Ein Eremit ruft plötzlich seinen Namen. „Kennst du mich, Ehrwürdiger Vater“, fragt Teodosio ihn. Nie hat er vorher sein Gesicht gesehen, aber gleichwohl sei er ihm vertraut. Hatte er eine Inspiration von oben? Zuweilen tut der Herr seinem unwürdigen Diener seinen Willen kund. Seine Stimme vernimmt er in der Einsamkeit seiner Höhle, in der er lebt - weit ab von der menschlichen Zivilisation. Was wünscht der alte Einsiedler von ihm, wenn Gott ihn zu ihm gesandt hat? Nun, sein Herz befinde sich in großen Zweifeln, tut der Herr ihm kund. Während seine Füße sich in Richtung Schlachtfeld bewegen, fliegen seine Gedanken nach Jaureguía. Es seien nur seine Füße, die herumirren, aber sein Kopf ticke richtig! Der Schelm, der sich als Eremit verkleidet hat, ist natürlich kein anderer, als Asier.
Nimmt er etwa einen falschen Weg, um meinen Brüdern zu helfen? Der ewige Feind erwarte ihn an den Toren von Irún. O nein, es ist eine höchst lobenswerte Mission für den zukünftigen König von Vasconia. Hohe Ehren und Ruhm erwarten ihn in der Schlacht, die er gewinnen wird. Doch er sollte sein Tätigkeitsfeld aufteilen. Die unmittelbare Bedrohung seiner Ehre gehe von Jaureguía aus. Was sind das für Worte? Während der brave Ehemann als Vorbild der Tapferkeit sein Talent in der Schlacht vergeudet, betrügt ihn seine Frau, die ihm Treue schwor, in der Hochzeitsnacht mit einem Heiden, träufelt Asier das Gift in seine Seele. Teodosio bezeichnet den Eremiten als Lügner. Wenn er seine Information anzweifelt, soll er seinen Weg gehen - die Stimme Gottes bleibt dann in der Wüste ungehört. „Gib mir ein Zeichen, vollbringe ein Wunder, dass die Nachricht von meinem Unglück auch wirklich stimmt!“ „Ist das kein Wunder, dass wir beide uns heute hier getroffen haben?“ Er solle den Himmel nicht reizen, wenn seine Worte ihm nicht genug seien, entgegnet der falsche Eremit, möge er nach Jaureguía fliegen, bevor es Tag wird und das abscheuliche Verbrechen, welches in dem Bett begangen wird, in dem seine tugendhaften Eltern vorher geschlafen haben, zur Kenntnis nehmen.
Beide werden sterben durch seine Hand! Wie konnte ein Gesicht, welches sich so rein offenbarte, einen Betrug verstecken, der so schwarz ist? Wie konnten ihre Lippen lügen und nach dem heiligen Taufwasser rufen? Sie ist eine Heidin von Aitorechea und der Vater Aitor hat diese falsche Zucht in die Welt gesetzt – sein Name sei verflucht.
„Lebe wohl, ehrwürdiger Vater. Wo werden wir uns wiedersehen!“ Gott wird den Platz des Wiedersehens auswählen. „Lasse mich Deine Hand küssen, ehrwürdiger Vater!“ Der falsche Eremit weigert sich. Asier frohlockt: Es wird eine Blutnacht! Das Schicksal kreist über Jaureguía!
Die beiden Burschen wundern sich über den Dialog, den sie aber inhaltlich nicht verstanden haben. Teodosio fordert sie auf, nicht zu verweilen, sondern ihm zu folgen. Das sei nicht der richtige Weg! Er wisse, welchen Weg er nehmen muss. Der Feind sitze nicht in Irún, sondern zu Hause. Getrieben von den Worten des Verräters, eilt Teodosio nach Jaureguía, besessen von dem Gedanken, das schuldige Paar zu töten.
SINFONISCHES INTERMEZZO
Dritte Szene:
Daheim angekommen, gelangt Teodosio in die Halle. Es ist dunkel und er tastet sich zur Hochzeitskammer vor. Er lauscht an der Tür und hört Atemgeräusche. Dann zieht er sein Schwert und betritt die Kammer.
Als er wieder herauskommt trieft sein Schwert vom vergossenen Blut.
In diesem Moment betrifft Amaya die Halle und hält eine Lampe in der Hand. „Teodosio, mein Gatte! Wie kommt es, dass Du schon so bald wieder zurückgekehrt bist?“ Aber sie hatte ihn erwartet. Sie konnte nicht einschlafen und eine dunkle Vorahnung hatte ihr sein Kommen angekündigt. Wer schläft in unserer Kammer? will der Heimkehrer wissen. Da er in den Krieg gezogen ist, hat sie seine Eltern in deren vormaligen Kammer schlafen gelassen. „Verdammt!“ Ein Aufschrei Teodosios ist zu hören, dann ergreift er die Flucht. Amaya sieht durch die halboffene Tür die tragische Szene. Sie zieht die Bettvorhänge zurück und sieht Miguel und Plácida blutüberströmt im Bett liegen. Amaya fällt auf die Knie und wird dann bewusstlos.
EPILOG
SINFONISCHES INTERMEZZO
„Auf der Spitze des Berges Aralar
scheint ein mysteriöses Licht.
Hier verbringt Teodosio
der Vatermörder
ein Leben in Buße,
ihm auferlegt vom Heiligen Vater.
Das Volk verehrt ihn als einen Heiligen.
Komm nun, der Pfad ist uneben,
so dass es scheint
dass der Weg zum Himmel führt.
Komm nun und betrachte die seltsamen Ereignisse,
welche die Legende zu ihrem Abschluss bringen.“
Erste Szene:
Der Vorhang öffnet sich auf die romantisch-felsige Landschaft des Berges Aralar. Schafe finden an den Abhängen saftiges Futter. In das schlichte Gewand eines Eremiten gekleidet, steht Teodosio vor dem Eingang seiner Höhle und sucht Zuflucht im Gebet. Olalla, eine junge Schäferin, ist aus dem Tal heraufgekommen und versorgt ihn hin und wieder mit Nahrung. Den Opernbesucher überrascht es, dass sich Amaya in ihrer Begleitung befindet. Allerdings hat sich die junge Frau in eine Wolldecke gehüllt, um nicht erkannt zu werden. Olalla hat ihre Freundin auf deren Wunsch optisch so positioniert, dass sie dem Eremiten nicht ins Auge fällt.
Olalla hat ein Anliegen und richtet das Wort den den Einsiedler, der sich überrascht zu ihr umdreht. Seit sieben Jahren bringe sie ihm nun Futter und habe nie die Ruhe unterbrochen, die er sich selbst aufgelegt habe. Aber jetzt kann sie ihre Zunge nicht länger im Zaum halten, denn Vasconia befinde sich in Gefahr und suche nach einem Heerführer. Weiß er nicht, dass die Herrschaft der gotischen Nachfahren vorbei ist und nun die Mauren die Herrschaft über Navarra an sich reißen wollen.
Teodosio bedauert, dass er nicht antworten kann, denn der Heilige Vater habe ihm befohlen, den Berg nicht zu verlassen und ihm muss er sich unterwerfen. Für wie lange, will Olalla wissen! Nur der Himmel weiß es, denn sein Schicksal ist an die Kette gekoppelt, die seinen Leib umschlungen hält. Die Buße dauert so lange, wie die Kette ganz bleibt und nicht von Rost befallen wird. „O wie schrecklich!“ Zum Beweis, dass noch keine Materialermüdung eingetreten ist, schüttelt sich der verbal Bedrängte kräftig.
Auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt nach Rom zu seinem kahlen Felsen, habe er sich im Dunkel der Nacht davon gestohlen und den Flecken Jaureguía aufgesucht, um sich nur ein einziges Mal den brennenden Wunsch erfüllen zu können, sein Weib des Morgens beim Kirchgang beobachten zu können, aber der Herr hat es nicht zugelassen. Doch seine Kette hatte sich in einer Hecke verfangen, sich ein wenig gelockert und ein Bindeglied sei herausgesprungen und in den Dornen hängen geblieben.
Aber hat der arme Mann seit dieser Zeit keine Neuigkeit aus seinem Dorf erhalten? Warum fragt er sie nicht danach? Nun, wenn seine Frau tot ist, möge der Herr sie unter seine Heiligen einreihen und wenn sie noch lebt, möge sie für ihn beten. „Bizi da - Amaya lebt!“ verkündet ihm Olalla. „Bizi al da! Au zorun eder aun diya,“ freut sich Teodosio. Sie lebt und ihre 'Gedanken seien nur bei Teodosio. Möchte er sie nicht sehen, wenn sie käme und diesen Platz erklimmen würde? Teodosio fühlt sich unbehaglich, denn er hat sein Schweigegelübde gebrochen und schon viel zu lange mit ihr geplappert. Sie möge ihn bitte verlassen. Der Eremit eilt fluchtartig in seine Höhle. Olalla begibt sich zu Amaya. „Entzun deutzan? - Hat sie ihn gehört?“
Mit Grauen und Entzücken habe sie seiner Stimme gelauscht und konnte es nicht verhindern, dass sich ihre Lippen zu einem Kuss formten. In den Lappen eines Eremiten schien ihr der Ehemann wahrer zu sein, als jemals zuvor. Als junger Mann wäre er fast zum König gekrönt worden und nun umschlingt eine Kette seinen Leib und quält sie beide. Wie lange muss sie aus dieser bitteren Tasse noch trinken? Wann werden die Ketten endlich brechen?
Zweite Szene:
Zwei Schafhirten tragen zwischen sich einen besinnungslosen Caballero und platzieren ihn auf den Boden in der Nähe der Höhle. Auf verschlungenen Pfaden sei der Reiter den Berghang hinunter geritten und von dem ungezügelten Gaul abgeworfen worden. Wahrscheinlich hat er sich alle Rippen gebrochen, denn er konnte sich nicht mehr bewegen. Seinen Tod voraussehend eilten sie hinzu und brachten ihn hierher. Teodosio kommt aus seiner Höhle, versucht dem Verunglückten zu helfen und löst seinen Helm. Die Hirten bringen Wasser.
Olalla urteilt nach seiner scharlachroten Kleidung, dass der Verwundete ein Gote sei, aber es könne auch sein, dass es sich um einen maurischen Spion handele, argwöhnt Olalla. Der Schwerverletzte atmet leicht und Teodosio weist den Hirten an, ihm Wasser zu geben. Auf seine Frage, wo er sei, antwortet ihm Teodosio, dass ihn die Güte des Himmels zum ärmlichen Heim eines Büßers geführt habe. Für ihn sei das nicht der rechte Ort, wehrt der Hilflose ab, denn er gehöre einem anderen Glauben an. Aber der Eremit beschwichtigt ihn: Wie groß seine Sünde auch sei, Mitleid sei für alle da. Bestimmt sind die Verfehlungen nicht größer als die seines Retters, denn dieser sei ein Vatermörder, wage aber trotzdem auf Vergebung zu hoffen. Der Gestürzte richtet sich plötzlich auf und fragt: „Bist du es, Teodosio?“ „Du kennst mich?“ „O Gott, der Gerechtigkeit, ich ersticke! Was hat der Dramaturg nur angerichtet?“
Teodosio bekennt, das er kein Priester sei, aber er sieht an seinem Gürtel das Kreuz. Der Dialogpartner gibt zu, dass er sich nicht zu Christus bekenne und er ihn deshalb auch nicht Bruder nennen möge. Er sei ein Taugenichts und es läge in seiner Hand, ihm für seine Bosheit den Tod zu geben. Nun steht ein Quiz an. Ist er etwa Asier? Asier deckt seine Identität auf und berichtet weiter, was es mit seiner Bosheit auf sich hat. Seine Vergeltung an ihm habe ihm noch nicht gereicht. Er habe sich vorgenommen, das ganze Volk der Vasconen unter den Halbmond zu bringen. Teodosio soll die Briefe nehmen, die eine Botschaft an Tarik von Irún enthalten und sie vernichten.
Teodosio befindet sich im Zwiespalt seiner Gefühle zwischen Hass und Vergebung. Soll er das Ableben seines Todfeindes noch mit grässlichen Torturen anfüllen, um ihn dann mit eigenen Händen zu erwürgen? Mit seinem Kadaver sollen sich die Aasgeier befassen und seine schwarze Seele in der tiefsten Hölle schmoren. Der höllische Drache brüllt in seinem Ohr und seine brennende Kralle greift nach seiner Wange. Amaya sieht seinen inneren Kampf und bittet den Himmel, Mitleid mit ihm zu haben und seine Seele zu befreien. Er hat genug bezahlt für seine Sünde und er möge ihm den grausamen Prozess einer erneuten Seelenqual ersparen. Amaya bittet inständig, dass Gottes Antlitz über ihm erscheinen möge, wenn er ihm Frieden geben will.
Teodosio meistert schließlich seinen Zorn und ist für den Wunsch Asiers ansprechbar. Dieser bittet darum, ihn zu taufen bevor er stirbt. Der Eremit erklärt sich bereit und beginnt mit der Zeremonie:
„Asier, Asier! Ziñisten dok Jainko ta Jesukristogan? - Glaubst du an Gott und Jesus Christus?“
„Ziñes! - Ich glaube!“
Teodosio tauft Asier. Der Täufling bedankt sich für die erwiesene Wohltat und stirbt.
Dritte Szene:
Ein fürchterlicher Krach dringt aus der Höhle. Alle sind mit erfüllt Furcht. Der heilige Michael möge sie beschützen. Der Opernchor schickt ein paar Schmeicheleien nach oben: „Hosianna, Hosianna. Da ist keiner heiliger als Gott, der Mächtige, der Ewige!“ Ein großes Licht erfüllt die Höhle, aber der Krach hat aufgehört. Alle fallen auf ihre Knie und wenden den Blick nicht von der Grotte. Wahrscheinlich wollte sich der Satan in der Höhle, die der Eremit gepachtet hat, ein Wohnrecht erschwindeln, was der Erzengel ihm verwehrte.
Noch ein Wunder: „Aintza Jauna, Alatza! Aintzaldu!“ Die Ketten, welche Teodosio bisher zusammenpressten, liegen klirrend am Boden. Seine Schuld ist gesühnt. Ehre sei Gott und dem Erzengel Michael, dem mächtigen Streiter!
***
musitony 2012 - Engelbert Hellen