Erster Akt:
Der Handlungsablauf im „Rosenkavalier“ wird beim Theaterbesucher als bekannt vorausgesetzt. Die Ballett-Version schiebt sich zeitlich an die Schwelle zum 20. Jahrhundert vor. Das gesellschaftliche Umfeld hat sich verändert: Kleidung und Frisuren wirken nicht mehr gepudert, sondern präsentieren sich burschikos bis ausgeflippt und das elegante Vorstadtpalais hat seinen Stil gewandelt.
Es war notwendig, einem Beruf nachzugehen. Baron Ochs ist Impresario geworden, hat allerdings seine rüpelhaften Manieren beibehalten. Die attraktive Marschallin hat es geschafft, eine berühmte Schauspielerin zu werden und ist nun der Verfolgung durch Paparazzi ausgesetzt. Noch ist Octavian ihr Geliebter, aber die Erfolgverwöhnte fürchtet sich vor den Wechseljahren. Gewiss wird der Liebling ihr bald seinen Abschied einreichen, denn die Liebe ist an das Vorhandensein von Jugend und Schönheit gekoppelt. Die schlne Actrice ängstigt sich vor grauen Schläfen und den ersten Fältchen um die Augenwinkel. Deshalb lässt sie sich in ihrer Besorgnis von professionellen Kosmetikerinnen jeden Morgen herrichten. Unlustig ist sie genötigt, sich verhassten Journalisten und Fotografen zuzuneigen, die sogar bis ins Schlafzimmer vordringen, um von ihr in der Öffentlichkeit ein vorteilhaftes Image abzuliefern.
Zu völlig unpassender Zeit kommt Baron Ochs mit einem Anliegen hereingeplatzt. Er sucht Rat und Hilfe, ob die Freundin niemanden kenne, der in der Lage ist, stilvoll eine silberne Rose zu überreichen. Diese ist ein Symbol der Liebe und soll im Rahmen der Verlobungsfeier seiner Braut Sophie in galanter Pose überreicht werden.
Wäre Octavian nicht geeignet? Allein eine solche Zumutung verursacht bei diesem schon Übelkeit. Um seinen wahren Status zu verbergen, hat der Liebhaber sich als Mädchen verkleidet und ist hinter einen Wandschirm geflüchtet. Es gilt Diskretion zu wahren, die Geliebte ist schließlich verheiratet, und nur wenn der Mann auf Reisen geht, ist das Appartement sturmfrei. Tölpelhaft stößt Baron Ochs den Wandschirm um. Der Schatz, welcher sich dort versteckt hielt, entfacht unverzüglich seine männliche Begierde. Ochs vergisst alle guten Manieren – eigentlich hat er nie welche gehabt – und stürzt sich auf sein Opfer.
Moralische Vorhaltungen und gutes Zureden nützen wenig und so bleibt der Hausherrin nichts anderes übrig, als dem Störenfried die Tür zu weisen. Beiden ist der Tag verdorben und die Lust auf ein zärtliches Beisammensein vergangen. Er verabschiedet sich und lässt die Geliebte in Trübsinn zurück.
Zweiter Akt:
Octavian hat sich schließlich doch überreden lassen, die Sache mit der silbernen Rose in die Hand zu nehmen. Gemeinsam mit Ochs erscheint er zur angesagten Verlobungsfeier im Hause Faninals, um die eingegangene Zusage einzuhalten. Doch der boshafte Amor hat seinen Liebespfeil auf ihn abgeschossen. Sophie wirft einen tiefgründigen Blick auf ihn und schon steht er in Flammen. Ochs ist nicht so dumm wie sein Name suggeriert. Mit wachem Verstand und scharfem Blick beobachtet er, was sich entwickeln könnte. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“ und jetzt soll er verschwinden. Er gibt Dampf, denn Eile ist geboten, den Ehevertrag zu unterzeichnen, bevor Sophie zur Besinnung kommt.
Doch jetzt ist das Mädchen plötzlich verschwunden. Sophie hatte das Bedürfnis, mit ihren Empfindungen allein zu sein und hat die Festgesellschaft für einen Moment verlassen. Doch Octavian lässt sich seine Eroberung nicht wegschnappen. Heimlich ist er zurückgeschlichen und hat Sophies Anwesenheit ausgekundschaftet. Küsse und leidenschaftliche Umarmungen festigen im Eiltempo das Band ihrer heißen Liebe. Zwei Paparazzi beobachten das intime Beisammensein und in Erwartung einer Belohnung erzählen sie voller Schadenfreude die Neuigkeit dem Impresario. Die beiden männlichen Kontrahenten prallen aufeinander. Für den Letztgenannten geht die kleine körperliche Auseinandersetzung unglimpflich aus. Die Polizei zieht jedoch, ohne einzugreifen, wieder ab. Vater Faninal hat alle Mühe, den Zwischenfall herunterzuspielen und bestätigt den Ehevertrag.
Dritter Akt:
Octavian sitzt der Schalk im Nacken. Erneut hat er sich wieder als Zofe verkleidet und erwartet den Alten zu einem Stelldichein in einem bürgerlichen Gasthof. Die beiden Paparazzi haben das Lager gewechselt und halten jetzt zu Octavian. Das erwartete zärtliche Beisammensein findet allerdings nicht statt. Die inszenierten Turbulenzen, die solchen Unfug verhindern, wären einer Rossini-Oper würdig.
Der Zuschauer muss sich damit abfinden, dass Ochs und Marie-Theres (pardon, die Marschallin) ihre Standestitel im Ballett behalten dürfen, damit der Bezug zur Strauss-Oper und zur „Silbernen Rose“ nicht ganz verloren geht. Schließlich erscheint also als Respektsperson die Marschallin, maßregelt den Baron und erwirkt von Faninal die Zustimmung zur ehelichen Verbindung zwischen Sophie und Octavian.
Die Marschallin ist Schauspielerin genug, um die eigenen Empfindungen vor den Leuten zu verstecken. Nur sie selbst kann die Schwere ihres Opfers beurteilen. Sie weiß, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, dass Octavian sie zu gunsten einer Jüngeren sie verlassen würde. Weshalb soll sie nicht vorbeugen, Charakterstärke beweisen und sich einen stilvollen Abgang sichern? Doch die Erinnerung an viele zärtliche Stunden mit dem Geliebten möchte sie niemals missen.
Anmerkung:
Die Musik von Richard Strauss musste sich vollkommen verabschieden. An ihre Stelle ist ein Potpourri der Werke von Carl Vine getreten, denn die Strauss-Erben untersagten, die erhabene Musik des Rosenkavaliers zu einer Ballettproduktion zu entwürdigen. Exakter formuliert: es wurde erst gar nicht nachgefragt.
Sinn oder Unsinn, den „Rosenkavalier“ zu verfremden oder als Ballett umzugestalten, werden von den Medien und dem Publikum kontrovers diskutiert. Man wundert sich, dass ausgerechnet die australische Musikszene, das heikle Unterfangen auf ihre Flagge setzt und in Deutschland durchführt.
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musirony 2009 - Engelbert Hellen