Zauber des Balletts
Peter Maxwell Davies [geb. 1945]
Das Beltane-Feuer
The Beltane Fire
Choreographic Poem
komponiert 1994/1995
Libretto nach einer Volkserzählung von den Orkney-Inseln
Uraufführung 1995 in der Boston Symphony Hall
Dauer etwa 40 Minuten
Charaktere:
Die Herrin des „Barn of the Bu“ auf der Insel Hoy
Skuddlar, Vater ihrer beiden jüngeren Kinder
Der Pfarrer und der Ältestenrat
Die Greule, dämonische Mutter Skuddlars
Kleiner Sohn der Herrin von „Barn of the Bu“
Inselbewohner
Das Geschehen spielt auf den Orkney-Inseln im 17. Jahrhundert
INHALTSANGABE
Erste Szene: IN THE BARN OF THE BU
Die Bevölkerung der Orkney-Inseln befindet sich in heftiger Opposition zum anglikanischen Klerus. Sie möchte die religiösen Neuerungen nicht annehmen und an den alten Riten und Gebräuchen des Heidentums festhalten. Ausrotten lassen sich diese nicht, werden daher um des lieben Friedens Willen von der neuen Geistlichkeit ignoriert oder eingeschränkt geduldet.
Den größten Bauernhof auf der Insel Hoy nennt man in nordischen Landen traditionell „Barn of the Bu“. Gesellschaftliche Zusammenkünfte bei Tanz und Trinkgelagen finden hier statt. Alle haben Angst vor der Greule. Sie ist eine schaurige Alte, die es darauf anlegt, Kinder zu erschrecken oder gar einzufangen. Den Söhnen, den Greuliks, schaffen diese Auswüchse ihrer gespenstischen Mutter Unbehagen. Mit einem Fischernetzt fangen sie die Alte ein und setzen sie fest. Man will versuchen, sie zu therapieren, aber die Bevölkerung hat dafür nur Spott übrig. Als Ballettfigur wird die Greule durch einem großen Mann mit schwarzem Mantel, Schnabel und Vogelkopf dargestellt, einen Raben symbolisierend.
Die Söhne genießen in Opposition zur Geistlichkeit auf der Insel einen gewissen Respekt und Führungsanspruch. Der Älteste, Skuddlar, spielt mit seiner Fiedel der Bevölkerung zum Tanz auf und ist sehr beliebt, der Geistlichkeit und dem Ältestenrat dagegen ein Dorn im Auge. Er weiß es. In Anpassung an ihren Geschmack verleiht er seinem Gefiedel mitunter einen sakralen Anstrich.
Mit der Tochter des Hofes ist Skuddlar in Liebe verbunden. Man munkelt, dass der Priester auch schon einmal eine Beziehung mit der Bu-Tochter hatte und Vater ihres Erstgeborenen sei. Den anderen Sohn, der zum Abschluss des Tages seine tänzerische Begabung durch einen traditionellen Schwert-Tanz unter Beweis stellt, mag der Geistliche überhaupt nicht leiden. Die Aversion ist nachvollziehbar, da Skuddlar als Kindesvater angesehen wird. Die Musik spielt einen Tanz, der die Liebe der Herrin auf „Barn of the Bu“ zum Sohn der alten Greule ausdrückt.
ZWISCHENSPIEL
Zweite Szene: A FIELD
Die Religion der Väter war der Natur und den Belangen der Bevölkerung weitaus mehr angepasst, als das aufgezwungene Christentum zum Wohlbefinden beitragen kann. Dem Gedeihen der Saat und zum Resultat einer guten Ernte fehlen der neuen Religion die zeremoniellen Mittel, um ein positives Resultat herbeizuführen. Männer und Frauen befinden sich auf dem Feld und Skuddlar hat sein Musikinstrument dabei, um den einheimischen Göttern den gebührenden Respekt zu erweisen. Die Männer stellen sich auf den Pflugtanz ein und die Frauen vollziehen ihre Tanzschritte, damit die Saat gut aufgeht.
Der Priester mit dem Ältestenrat kommt hinzu und macht von seiner Autorität Gebrauch. Er verbietet den Tanz und fordert die Bevölkerung auf, sich zu zerstreuen. Skuddlar bleibt allein zurück und tanzt mit der hinzukommenden Bauertochter einen erotischen Pas de deux.
ZWISCHENSPIEL
Dritte Szene: THE KIRK
Die Bu-Tochter erwartet ein Kind, obwohl der Segen der Kirche für eine eheliche Verbindung noch nicht erteilt wurde. Nun muss sie Buße tun und vor der Kanzel und der versammelten Gemeinde ihren Fehltritt bereuen. Skuddlar muss zur Strafe seine Fidel abgeben, die in einer schwarzen Kiste verschlossen wird. Die eingeschüchterte Gemeinde trauert mit den beiden und bekundet den Gedemütigten ihre Zuneigung.
Vierte Szene: THE FIELD
Die Hitze und die Trockenheit auf dem Feld sind unerträglich. Die Ernte gedeiht nicht. Skuddlar kann die Naturgötter mit seiner Fiedel nicht mehr günstig stimmen und der Pfarrer unternimmt nichts. Niedergedrückt stampfen die Bewohner einen Regentanz, ohne Erfolg.
Fünfte Szene: THE BELTANE FIRE
Wenn nichts hilft, greift man zum Äußersten. Das ist das Beltane Feuer - eine Zeremonie großen Ausmaßes. Das große Whiskyfass wird angezapft und die Flüssigkeit ins Feuer gegossen, damit es hell aufflammt. Dazu wird gefeiert bis das Whisky-Fass leer ist. Götter lieben Opferfleisch. Die alte Greule verkörpert jede Menge Biomasse. In ihrem Käfig wird sie auf die Spitze des Feuers gehoben, damit Menschen und Götter den Duft gebratenen Fleisches schnuppern können. Zaubersprüche für Regen, Reife für Frucht und Korn sowie ein gutes Bier sind Bestandteil der Zeremonie.
Doppelte Freude – Beide kommen aus der Kirche gerannt. Skuddlar hat seine Fiedel zurück erhalten und sein Mädchen trägt das neugeborene Baby auf dem Arm. Gemeinsam führen sie einen Tanz der Bewohner an und sie spricht Zauberformeln, damit es regnet. Das Unerwartete geschieht – das Wetter schlägt um.
Dieser positive Erfolg heidnischer Zauberei ist der hohen Geistlichkeit zu viel. Der Pfarrer kommt mit den Männern des Gesetzes herbei und Skuddlar wird in Ketten gelegt. Dem Mädchen wird ein scharlachrotes und ein gelbes Gewand umgelegt, als Zeichen, dass sie eine Hexe ist. Das Baby wird ihr weggenommen und der kleine Sohn, der zur Mutter will, zurückgehalten. Der Vater kann nicht helfen. In einem Tanz drückt die Gedemütigte Furcht und Schmerz aus. Die beiden Gefangenen werden abgeführt, die Menge zerstreut sich.
Die Glut des Feuers erlischt. Der Kleine Sohn der Bu-Tochter tanzt ein letztes Mal ein paar Schritte seines Schwert-Tanzes und legt sich dann mit ausgebreiteten Armen in die verglühende Asche des Beltane Fires.
Foto: © witchway
Anmerkungen:
Anfang der siebziger Jahre hatte der Komponist sein Wohn-Domizil auf den Orkney-Inseln aufgeschlagen. Die Volksmusik und die Bräuche, die er vorfand, inspirierten ihn zu der Komposition über das Beltane-Feuer. In der Ballettmusik wird der Konflikt zwischen altem heidnischen Brauchtum und dem Einzug des Christentums geschildert. Angebliche Spannungen zwischen Choreograph und Komponist verzögerten lange Zeit die szenische Aufführung.
Die Musik lehnt sich eng an die Volksmusik der Orkney-Inseln an und Davies benutzt Instrumente wie Fiedel, Clarsach (Harfe) und Bodhran (Tommel), um ein inseltypisches Klangbild eigener Handschrift zu erzeugen. Volkstänze als Vorlage sind für die Schaffung eines Balletts ideal.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen