Struktur der Ballett-Suite 1 und 2
Erste Folge:
1. Festivity in Honour of the Ancient Gods – Festlichkeiten zu Ehren der antiken Götter
2. The Prayer of the Assasin – Das Gebet des Mörders
3. The Prayer of the Hetaera – Das Gebet der Hetäre
4. The Prayer of the Drunkard – Das Gebet des Betrunkenen
5. The Prayer of Joanna – Das Gebet Johannas
6. The Dance of the Three Priests and Joanna – Tanz der drei Priester und Johannas
7. Frumentios and Joanna Alone – Johanna allein
8. Finale – Moderato giocoso
Zweite Folge:
1. Introductiom und Joanna's Dance – Einführung und Johannas Tanz
2. Love exultation – Liebe, Jubel
3. Introduction Dance – Einführung, Tanz
4. Corvinos, The Fight, The Flight – Corvinios, der Kampf, Die Flucht
5. Like Ljoba – Wie 'Ljoba'
6. Joanna's Decline – Johannas Untergang
Vesselin Stoyanov greift in seinem Ballett eine Legende auf, deren Wurzeln im neunten Jahrhundert zu suchen sind. Es handelt sich um Johanna von Ingelheim, die es angeblich zu allerhöchstem Ruhm gebracht hat. Ihre Geschichte hat die Menschen des Mittelalters stark beschäftigt und erst in neuerer Zeit versucht man, den Tatbestand, dass es jemals einen weiblichen Papst gegeben hat, zu leugnen.
Die Kindheitsgeschichte Johannas berichtet, dass die Eltern ständig Streit hatten. Der Vater war ein fanatischer Priester und die Mutter eine zwangskonvertierte Wickingerin. Das Mädchen beschloss, mit ihrem Bruder aus dem Elternhaus zu flüchten, denn Johannes wollte gern studieren. Nun richtete es das Schicksal so ein, dass Johannes von feindlichen Wickingern erschlagen wurde, Johanna sich die Kleider des Bruders anzog und in Verkleidung an seiner Stelle das Medizinstudium aufnahm. Das Mädchen war hochbegabt und brillierte in theologischen wie auch in anderen wissenschaftlichen Fächern. Ihr gelang die Reise nach Rom und sie konnte als Heilpraktikerin bis in die Gemächer des Papstes vordringen. Es gelüstete sie danach, selbst Papst zu werden und es gelang ihr, vom Konzil auch gewählt zu werden. Ihre Regierungszeit setzt man zwischen Leo IX. und Benedikt III. oder auch nach Benedikt an.
Niemand ahnte, dass die Erwählte eine Frau war, bis der Schwindel eines Tages aufflog. Anlässlich einer Prozession hob die dreifach Bekrönte das Bein, um in den Sattel ihres Pferdes zu steigen. Bei dieser Gelegenheit ergab sich ihre Niederkunft. Auf offener Straße gebar sie ein munteres Knäblein. Das Volk von Rom – obwohl Absonderlichkeiten in Fülle gewohnt - konnte nicht begreifen, dass auch Päpste Kinder kriegen können. Den Ausgang der Geschichte erzählen die Chroniken widersprüchlich. Vesselin Stoyanov hat eine ballettgerechte Lösung gefunden.
War vielleicht Corvinios der Vater? Musste Johanna um ihre Liebe kämpfen? Nichts Genaues weiß man nicht. Nach den Bezeichnungen der einzelnen Sätze zu urteilen, wird fleißig gebetet - mehr als getanzt. Hauptsache, Joanna hatte ihre Genugtuung, als sie einen Pas de quatre im Ensemble mit drei frommen Priestern hinlegt.
Anmerkung:
An Kunstfertigkeit steht die Komposition der 'Papessa' der grotesken Suite 'Bai Ganyu' erheblich nach. Es fehlen einfach die schmissigen Einlagen. Die Musik bewegt sich in den lyrischen Passagen im Bereich der Spätromantik und sobald es dramatisch zugeht, ist ein Vergleich mit Kodály oder Chatchaturian angängig.
Bis in unsere Zeit konnte sich die Legende von der Päpstin halten. Der pikante Stoff wurde sogar aufwändig verfilmt. Die Historiker der Gegenwart neigen dazu, alles anzuzweifeln, was ihnen nicht unter die Mütze will. Haarsträubend sind die Scheußlichkeiten, die in Zeiten des finsteren Mittelalters im Machtkampf die Kirchenoberhäupter unter sich austrugen. Diese Fakten werden nicht angezweifelt. Die Legende von einer Päpstin Johanna macht sich dagegen pikant aus.
Es gab schon einmal ein Ballett über einen Papst, in dem Pius VI, seine Piroutten drehte. Es stammte von dem Komponisten Ferdinando Pontelibero (1772-1835) und trug den Titel 'Il ballo del Papa'. Am 25. Februar 1797 erlebte das fünfaktige Ballett an der Mailänder Scala seine Uraufführung und hatte einen sensationellen Erfolg. Der Choreograph Dominique Léfébre tanzte alternativ den Pius und Guiditta Bolla die Prinzessin von Santa Croce. Die österreichische Besatzungsmacht fand das Ballett anstößig, setzte die Zensur an und ließ alle umlaufenden Exemplare der Partitur aus dem Verkehr ziehen.
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musirony 2009 - Engelbert Hellen