Personen:
Kara Ivan, ein Ziegenhirt
Elina, seine Frau
Maria, beider Tochter
Lazar, Marias Geliebter
Deli Mustafa, Erster Schurke
Memish Aga Zweiter Schurke
Hyusni, Dritter Schurke
Saradjata, Dorfschönheit
Das Geschehen spielt in den Bergen Bulgariens zur Zeit der Türkenherrschaft
Erstes Bild:
Schon früh am Morgen bricht Kara Ivan auf und treibt seine Ziegenherde auf die Hochalm. Seine Frau Elina, mit der er in zärtlichem Einvernehmen lebt, und ihr schlafendes Kind bleiben zu Hause. Drei Schurken, Deli Mustafa, Memish Aga und Hyusni, für ihre Gräueltaten und Übergriffe in der Umgebung wohlbekannt, huschen unbemerkt ins Haus. Die Ruhe des Morgens wird durch die verzweifelten Schreie der vergewaltigten Frau und des wehrlosen Kindes gestört. Unter den Händen ihrer Peiniger haucht Elina ihr Leben aus. Erschrocken über ihre Tat, rennen die drei Übeltäter davon.
Zweites Bild:
Kara Ivans Herz ist gebrochen. Vor Kummer und Schmerz halb wahnsinnig, beugt er sich über den toten Körper seiner Frau und schwört Rache. Sein Haus setzt er in Brand und verlässt, fort von seiner vertrauten Umgebung seinen Schmerz mitnehmend, mit seinem Kind die Berge. Seine Tochter Maria steckt er in Bubenkleider und lehrt sie das Messer zu werfen und mit dem Ziegenhorn zu kämpfen.
Drittes Bild:
Nachdem Maria zu einem kräftigen Mädchen herangewachsen ist, entwickelt Kara Ivan einen seit langem vorbereiteten Racheplan. Einer nach dem anderen, zuerst Deli Mustafa, dann Memish Aga, sterben unter seinem Messer. Maria gehorcht bedingungslos dem Willen des Vaters und hinterlässt auf den toten Körpern der Opfer als Zeichen der Rache – das Ziegenhorn
Viertes Bild:
Hyusni, der dritte Schuldige am Tode ihrer Mutter, fürchtet sich sehr. Er sammelt Anhänger, zieht umher und malträtiert die Bauern. An einem Sonntagmorgen, als die Leute sich in der Kirche versammelt hatten, um in ihrem elenden Dasein, ihrer Unterdrückung und endlosem Leiden, Trost zu suchen, wird der Friede des Morgengebetes durch eine Gruppe Türken gestört, die nach einer Gelegenheit Ausschau halten, um an den Tätern, die das Ziegenhorn als Erkennungszeichen hinterlassen haben, Vergeltung zu üben. In der Menge sieht Maria den jungen Bauern Lazar, der tapfer versucht, seinem Vater Schutz zu geben, aber von mehreren Türken angegriffen wird. Des Mädchens Herz tut einen Sprung. Sie möchte ihm gern helfen, wird aber von ihrem dominanten Vater daran gehindert. Lazar wird von den Türken weggeführt.
Fünftes Bild:
Aber Hyusnis Schicksal ist besiegelt. Kara Ivan und Maria verfolgen die Gruppe von Türken, die den entführten Lazar begleiten. Nach einem zähen Kampf steckt das Ziegenhorn in Hyusnis Herz. Lazar wird in Freiheit gesetzt. Elinas Tod ist gerächt. Kara Iwan bemerkt die Liebe, welche zwischen Maria und Lazar geboren wurde. Roh trennt der die jungen Leute und nimmt Maria beiseite.
Sechstes Bild:
Marias Herz ist erfüllt mit neuen, wunderschönen, bis dahin unbekannten Regungen. Das erste Mal fühlt sie sich ganz als Frau. Ihr schönstes Kleid zieht sie an, um zu ihrem Liebsten zu gehen. Beide fühlen Zärtlichkeit und Liebe füreinander. Marias Seligkeit wird jäh zerstört durch einen Blitz aus der Hand des eigenen Vaters. Angefüllt mit Eifersucht und Hass, versucht er die beiden Liebenden zu trennen und stößt in seiner Bosheit das Ziegenhorn in Lazars Rücken.
Siebtes Bild:
Vergeblich schaut Maria in den folgenden Tagen nach ihrem Liebsten aus. Das ganze Dorf ist auf dem Festplatz versammelt und jeder bewundert die Schönheit des unbekannten Mädchens. Saradjata macht einen Schritt auf sie zu und schwingt eine Kette, mit goldenen Münzen behangen. Maria versucht auszuweichen. Bei der heftigen Bewegung hüpft das Ziegenhorn aus ihrem Halsausschnitt. Nun wissen die Bauern, wer der namenlose Rächer ist. Maria entfernt sich.
Achtes Bild:
Schließlich hat Maria ihren Lazar gefunden. Untröstlich betrauert sie den Tod ihres Geliebten und das Ende ihrer gestorbenen Liebe. Nachdem ihm klar geworden ist, dass er einen furchtbaren und nichtwiedergutzumachenden Frevel an seinem Kind begangen hat, bittet Kara Mustafa verzweifelt um Vergebung. Maria schnappt nach dem Ziegenhorn und attackiert ihren Vater. Aber im letzten Moment zuckt ihre Hand vor der Tat zurück, und im Bewusstsein ihres zerbrochenen Lebens richtet sie das Horn gegen sich selbst.
Anmerkungen:
Der Komponist hat sein Werk „Das Ziegenhorn“ Ballett-Drama genannt. Das Libretto von Milen Paunov wurde nach der kurzen Geschichte und dem Drehbuch von Nikolai Haitov geschrieben. Offensichtlich hat das hochdramatische Geschehen, durchtränkt von bulgarischem Esprit, die Aufmerksamkeit des Komponisten gefunden und inspiriert, welcher feststellt: „Die Geschichte hat alle Qualitäten eines guten Werkes. Ich war bewegt von diesem Feuer der Emotion, welches die Protagonisten beflügelte - reichlich Gelegenheit für ein szenische Werk, für ein Ballett im besonderen.“
Es ist exakt die Emotionalität von Haitovs kleiner Geschichte, die sich in dem lebhaften Ausdruck der Musik wiederfindet und über das Hauptthema versucht, Wege zu einem Gegensatz gegen Bosheit und Kraft der destruktiven Handlung zu bilden. Kara Ivan’s Rache ist nicht als private und isolierte Handlung festzustellen; der Komponist verallgemeinert das Resultat des dramatischen Konfliktes, und das Finale artikuliert den Schrei der verwundeten menschlichen Seele. Es ist des Autors Protest gegen jede Gleichgültigkeit von Freiheit und gegen die Unverletzlichkeit des Menschen unbiegsamen Geist. Maria tötet sich selbst, als sie Lazar verliert, sie verliert ihre moralische Unterstützung und ihre mentale Balance. Kara Ivans Tragödie passt sich dem Schicksal seines geliebten Volkes an, welches seit Jahrhunderten unter osmanischer Herrschaft stand. Das Schicksal von Frau und Tochter ist der Untergang eines Mannes, der nur sich selbst und seiner Rache gehorcht. Er ist davongerannt, das Gesetz des Lebens und der Natur vergessend.
Nicht zu verkennen sind die Vorbilder von Komponisten, die um die Jahrhundertwende ihre großen Werke schufen, Igor Strawinsky (1882-1971) sein „Le Sacre du Printemps“, als Claude Debussy (1862-1918) in fein abgestuften Klangpalette mit dem „Prelude a l’apres midi d’un Faune“ betörte. Insbesondere im dritten Bild des Balletts finden wir Krassimir wieder in der leidenschaftlichen Umarmung vom Komponisten des Bolero, Maurice Ravel. (1875-1937)
Mit seiner lebhaften und kraftvollen Musik ist „Das Ziegenhorn“ die Fortsetzung einer Großen Tradition der bulgarischen Ballettkunst.