Weitaus reizender als die pittoreske Mühle in einem Tal in der Nähe von Granada ist die kleine Müllerin selbst. In Liebe und Eintracht lebt sie mit ihrem Gatten, ohne das Böse zu ahnen, welches das Schicksal für sie bereithalten könnte. Der Ballettbesucher ist vorgewarnt, denn im Prolog bei geschlossenem Vorhang hat eine dunkle Frauenstimme im Anschluss an die Trompetenfanfare verkündet, dass der Teufel immer dann auftaucht, wenn man ihn gar nicht erwartet.
Die Fiesta des Heiligen Johannes rückt näher und traditionsgemäß will der Müller dem Bischof ein paar Setzlinge seines Weinberges zum Geschenk machen. Zärtlich verabschiedet er sich von seiner Frau und reitet auf seinem Esel davon.
Der Corregidor, der in diesem herrlichen Landstrich die Staatsgewalt verkörpert, hat längst ein Auge auf die kesse Molinera geworfen und nutzt den günstigen Augenblick, der Mühle einen Besuch abzustatten. Er will kontrollieren, ob die Gewerbevorschriften eingehalten werden, was sich am besten durchführen lässt, wenn der Patron nicht zu Hause ist.
Die Müllerin ist erfreut über den hohen Besuch, bietet sich doch Gelegenheit, Wünsche vorzutragen, ohne erst das Amt aufsuchen zu müssen. Den Statthalter des Königs in dieser verlorenen Gegend plagt heißes Begehren, welches er bisher verborgen halten konnte. Mit den Vorstellungen der Müllerin sind die Erwartungen, die der Gockel an sie richtet, nicht in Einklang zu bringen. Im Moment beschließt die Begehrte allerdings unter Einhaltung gewisser Grenzen, Aufgeschlossenheit zu heucheln, denn mit der Obrigkeit darf man es sich nicht verscherzen.
Autorität durchzusetzen fällt dem Corregidor nicht schwer und er lässt in aller Heimlichkeit den Müller wegen eines nichtigen Vorwandes einsperren. Nun hat der Caballero freie Bahn und erscheint in Person nach Einbruch der Dunkelheit erneut in der Mühle, doch der Willkommensgruß fällt reichlich kühl aus. Die göttliche Ordnung gebietet die Einhaltung der ehelichen Treue, welches der erwartungsvolle Magistrat nicht wahr haben möchte. Auf dem Steg, der zur Mühle führt, kommt es in reduzierter Form zu einem Kampf zwischen Staat und Kirche, bei welchem der erhitzte Liebhaber ins Wasser plumpst. Mit Bestürzung sieht die Täterin, was sie angerichtet hat, holt den zweiten Esel aus dem Stall und flüchtet in die Dunkelheit.
Der Müller konnte aus der Haft entweichen, findet die Mühle unverschlossen und sieht im Eingangsbereich auf dem Fußboden verstreut, einen Stock, einen Hut mit drei Ecken und weitere angefeuchtete Kleidungsstücke einer unbekannten Amtsperson herumliegen. Seine Eitelkeit gebietet ihm, die textilen Prachtstücke anzulegen, um zu sehen, welchen Eindruck er damit bei seiner Frau machen kann. Flugs eilt er in die Schlafkammer und entdeckt einen wildfremden Mann in seinem eigenen Nachthemd im Ehebett.
Zum massiven Gewaltausbruch kommt es erst gar nicht, denn die Ordnungshüter hatten das Entweichen des Müllers aus dem Kerker sofort bemerkt, erscheinen in der Mühle und nehmen die Person fest, die sie im Bett des Müllers vorfinden. Ihren ersten Schrecken hatte die flüchtige Müllerin schnell überwunden und die Dorfbewohner mobil gemacht.
Nun nehmen die Dinge ihren geordneten Lauf. Die korrupte Obrigkeit wird gescholten. Zu Recht verdient die eheliche Treue der tugendhaften Molinera über die Maßen gelobt zu werden, dass die Fidelio-Leonore fast neidisch werden könnte. Der Müller freut sich seines ungetrübten Eheglücks. Mit einem pompösen Finale klingt das Ballett aus.
Anmerkung:
Die Urfassung hatte als Tanzpantomime ihre Erstaufführung in Madrid bereits im Jahre 1917 unter dem Titel „ El Corregidor y la Molinera“
Die Musik von Manuel Maria de Falla y Matheu - so lautet der vollständige Name des Komponisten – ist außerordentlich spektakulär. Die Folklore ist dick aufgetragen, so dass der Sturmangriff auf das Gemüt nicht ausbleiben kann. Das war damals so, ist heute so und wird immer so bleiben.
Der Verfasser der Novelle gleichen Namens nach dem Volksstück „El Corrigidor y la Molinera“ hatte es untersagt, aus seiner Prosa ein Opernlibretto zu formulieren. Der Österreicher Hugo Wolff hat sich an die Weisung nicht gehalten. Seiner Oper war kein dauerhafter Erfolg beschieden.
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musirony 2005 - Engelbert Hellen