Erster Akt:
1
An seiner Hochzeit mit Prinzessin Stephanie ist Kronprinz Rudolf wenig gelegen. Eine Herzensneigung liegt nicht vor, und deshalb verhält der Heiratskandidat sich ausgesprochen taktlos. Zuerst macht er in aller Öffentlichkeit Prinzessin Louise, der Schwester seiner Braut, Komplimente, um sich dann seiner ehemaligen Geliebten, der Hofdame Larisch, zuzuwenden. Kaiser Franz Josef und seine Mutter zeigen ihr Missfallen – Rudolf stört es nicht. Zum Abschied von seinem Junggesellenleben fühlt er sich ganz als Casanova und seine tänzerischen Verrenkungen sind ausgesprochen affektiert. Ein wenig zwielichtig wirken auch vier ungarische Offiziere, die Freundschaft heucheln, aber in Wirklichkeit nur ihr patriotisches Süppchen kochen wollen. Baronin Vetsera mit ihrer siebzehnjährigen Tochter Maria gehört ebenfalls zu den geladenen Gästen. Die attraktive Stephanie hat das Gefühl, in der Hofburg ihrem Gemahl nicht willkommen zu sein.
2
Bevor Rudolf das gemeinsame Schlafgemach aufsucht, macht er noch einen kurzen Besuch bei seiner Mutter. Kaiserin Elisabeth ist ihrer Mutterrolle niemals gerecht geworden. Erneut appelliert er an ihre Gefühle, doch ihr Mienenspiel verrät, dass er im Moment stört, denn sie möchte in ihrem Buch weiterlesen.
3
Gekränkt begibt der Abgewiesene sich in seine Gemächer, in der die Angetraute auf ihn wartet. Seinen Frust lässt er nun an ihr aus, indem er mit einem Totenschädel herumspielt und an seiner Schusswaffe hantiert. Die bedauernswerte Stephanie hat solches Fehlverhalten nicht verdient! Ihre lebhaften Sprünge verraten echte Leidenschaft für den Gatten. Rudolf pariert ihre Liebessehnsucht mit brutaler Gestik und das Publikum hat Angst, dass er seiner Partnerin die ausgestreckten Arme ausrenkt.
Zweiter Akt:
4
Das Etablissement, in welches Rudolf seine Frau Gemahlin mitgenommen hat, ist nicht ihre Welt. Sein Adjutant Bratfisch versucht vergeblich, die Entrüstete in Stimmung zu bringen, bis der Kronprinz ihr mit ausgestreckter Hand klar macht, wo der Weg nach draußen ist.
Endlich ist Rudolf mit seinen ungarischen Freunden und mit Mitzi, seiner Mätresse, allein und kann sich ungeniert gebärden. Die Liebesmädchen sind mürrisch, weil sie sich in Anwesenheit des Kronprinzen gehemmt fühlen und mit ihren Freiern nicht unbefangen verkehren können, so wie sie es gewohnt sind. Doch Mitzi und Rudolf fühlen sich pudelwohl und ihre ausgelassene Tanzkunst signalisiert beste Laune. Diese hält an, bis die Polizei kommt und eine Razzia veranstaltet. Rudolf und seine Freunde verstecken sich, während die Ordnungshüter ein paar Leute festnehmen und wieder verschwinden. Die ständige Überwachung durch die Obrigkeit geht Rudolf auf die Nerven. Deprimiert fragt er bei Mitzi an, ob sie mit ihm nicht Selbstmord begehen möchte. Die Lebenslustige nimmt ihn nicht ernst und zeigt ihm 'Vögelchen'. Der österreichische Ministerpräsident hat das Lokal in Verkleidung betreten. Rudolf versteckt sich erneut, aber Mitzi verrät Taafe die Anwesenheit des Gesuchten, um dann am Arm des neuen Begleiters von der Bildfläche zu verschwinden. Rudolf fühlt sich verraten.
5-6
Die Gräfin Larisch hat den Kontakt zu den Vetseras hergestellt. Nicht ganz uneigennützig, fädelt sie eine Intrige ein und versucht zwischen der siebzehnjährigen Maria und Rudolf einen Kontakt zu arrangieren. Sie findet die verträumte Jugendliche bei ihrer Mutter vor und beobachtet, wie sie in ein Porträt des Kronprinzen gedankenverloren vertieft ist. Wie alle österreichischen jungen Mädchen himmelt die Heranwachsende den stattlichen jungen Thronerben an und kann ihre Affinität für ihn nicht verbergen. Die Larisch gibt vor, etwas von Kartenlesen zu verstehen, und weissagt Maria Glück in der Liebe. Sie schleicht sich in das Vertrauen der Kleinen ein und verspricht, den ihr anvertrauten Brief an Rudolf weiterzuleiten.
7-8
Der Kaiser hat Geburtstag und boshaft schenkt Elisabeth dem Gemahl ein Porträt auf dem er mit seiner Freundin Katharina Schratt abgebildet ist. Die Künstlerin ist zum Geburtstag ebenfalls eingeladen und singt dem Kaiser hochprofessionell ein Lied vor. Die Historiker erzählen, dass Kaiserin Elisabeth die Mätresse toleriert, damit sie ungestört auf Reisen gehen kann.
Zum ersten Mal treffen sich Maria und Rudolf heimlich zu einem Stelldichein in der Hofburg. Ein Verhalten, wie der Kronprinz es der ängstlichen Stephanie zumutet, lässt Maria sich nicht bieten. Resolut nimmt sie den Totenschädel vom Schreibtisch und drückt ihn liebkosend an sich. Seinen eigenen Revolver drückt sie dem Inhaber der Waffe an die Schläfe und Rudolf weiß nicht, ob Maria ernst macht, aber Spaß meint.
Dritter Akt:
9
Am Ende des Tages endet ein fröhlicher Jagdausflug tragisch. Rudolf hat mit einem Gewehr wild herumgespielt. Ein Schuss löst sich versehentlich und trifft einen Hofbeamten tödlich. Fast wäre der Kaiser getroffen worden.
10
Die Gräfin Larisch versucht ihre Liebschaft zu Rudolf aufrechtzuhalten. Sie besucht ihn in seinen Gemächern, obwohl draußen Maria wartet. Kaiserin Elisabeth kommt missbilligend hinzu und wird in Gegenwart Rudolfs, der in Trance auf seinem Stuhl kauert, von der Larisch ins Gesicht geschlagen. Elisabeth hatte ihr zuvor den Dienst als Hofdame gekündigt.
Bei Rudolf und Maria kommt der Gedanke auf, gemeinsam dem Leben ein Ende zu machen.
11
Der Kronprinz fühlt sich nicht wohl und bittet seine Freunde Loschek, Hoyos und Philipp, sich zurückzuziehen. Bratfisch soll kommen und mit seinen Späßen unterhalten. Da der Alleinunterhalter sieht, dass seine beiden Zuschauer unaufmerksam werden, zieht er sich taktvoll zurück.
Auch Rudolf hat wie Ludwig II. von Bayern eine Gemütskrankheit, die sich in Wahnsinn äußert, über die Dynastie der Wittelsbacher vererbt bekommen. Durch Alkohol und Morphiumspritzen versucht der Geplagte verzweifelt, die wahnsinnigen Kopfschmerzen auszuschalten. Tänzerisch drückt der Versuch sich so aus, das der Betroffene am Boden kniet, die Handflächen im Nacken verschränkt und ihn zusammenpresst. Noch einmal umarmt er Maria und erschießt sie dann. Ihr stummes Einverständnis kann man unterstellen, da beide emotional aufeinander eingestimmt waren. Von dem hehren Gefühl, aus Liebe in den Tod zu gehen, zehrte das Zeitalter der Romantik zwischen Goethe und Wagner. Die herbeieilenden Freunde, die den Knall gehört haben, kann der Todesschütze beschwichtigen. Allein gelassen, macht der seinem Leben durch einen Schuss in die Schläfe ebenfalls ein Ende.
Der Epilog endet wie der Prolog mit einem Friedhofsbesuch.
Kronprinz Rudolf
Anmerkung:
Die „Tradödie von Mayerling“ und die Umstände, die dazu führten, ist ein Kapitel nationaler österreichischer Geschichte. Diese in ein Ballett zu verpacken und historisch glaubwürdig zu interpretieren, ist die überragende Leistung von Keneth MacMillan und seinem Team. Es stimmt einfach alles: de Story, die Dekoration, die Kostüme und die sorgfältig ausgesuchten Darsteller, die neben großartiger tänzerischer Leistung jeder für sich mimisch eine hervorragende Charakterstudie anbieten.
Die Geschichte ist mit den Personen der Realität weitaus härter umgesprungen, als die Ballettaufführung vermuten lässt.
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musirony 2009 - Engelbert Hellen