ORCHESTER-VORSPIEL
ERSTER AKT:
ERSTER ABSCHNITT
Nr. 2
LOBPREIS
Die Einleitung kündet vom Schöpfer aller Dinge. Wer zu denken fähig ist, kann nichts Höheres begreifen. Sie Seelen hat ER erschaffen und alle Weisheit kommt von IHM. ER benannte die Dinge und das Universum dreht sich gemäß seinem Willen. Die Sonne, der Abendstern und der Mond entzündeten sich durch IHN. Seinen Geschöpfen bewilligt der HERR Nahrung und er ist der Führer aller. Die Essenz seines Wesens findet sich in der Einbildungskraft seiner Geschöpfe. Alle Namen verweisen auf IHN. In diesem Sinne stimmt die Tenorstimme den Hörer auf die Oper ein.
ZWEITER ABSCHNITT
Nr. 8
EINSTIMMUNG AUF DIE LIEBESSZENE DURCH DEN CHOR
Die dunkle Nacht war im Begriff sich zu verabschieden, denn der Morgenstern beanspruchte auf ständig drehendem Pfad seinen gewohnten Platz am dunklen Firmament, um mysteriös und geheimnisvoll den Dialog mit dem Universum aufzunehmen. Die Tür zu seinem Schlafgemach wurde sanft geöffnet. Eine Sklavin, in der Hand eine parfümierte Kerze haltend, lenkte leichten Fußes ihren Schritt zu des Kriegers Kopfkissen. Ihr folgte auf dem Fuße eine Kreatur, lieblich wie der Mond und zerbrechlich in ihrer Schönheit. Ihre Seele schien ihm ausgereifte Weisheit, purer Geist war ihre Erscheinung und sie näherte sich ihm. Ihr Körper war nicht verunreinigt von irdischen Elementen.
Nr. 9
LIEBESSZENE ZWISCHEN TAHMENEH UND ROSTAM IN ANWESENHEIT DES CHORES
Rostam, das Löwenherz, ward bei ihrem Anblick in Erstaunen geworfen. Er lobte den Schöpfer, der ihm diese Wohltat erwies. Sodann richtete er das Wort an seine Besucherin. Wie ihr Name sei, wollte er von ihr wissen und was sie in der Dunkelheit der Nacht von ihm wünsche. Tahmineh sei der Name und nach ihrem Wunsch befragt, möchte sie sich in seinen Worten ausdrücken. Sie sei entzwei gerissen vor Verlangen nach ihm. Dann stellt sie sich vor, Bescheidenheit kennt sie nicht.
Sie sei die Tochter des Königs von Samangan und der Samen, aus dem sie gezeugt wurde, stamme aus Beständen von Löwen und Leoparden. Auf Erden findet sie keinen Ebenbürtigen unter den Personen von königlicher Geburt. In der Tat, unter dem Himmelsdome existiert wirklich niemand, der ihrer Huld würdig sei. Unbedeckt und ohne Schleier hat keiner sie je gesehen und ihre Stimme kennt von den Menschen niemand. Wie das Mädchen schwindeln kann!
Aber von ihm hat sie schon gehört, denn von den Menschen wird er bereits als Legende betrachtet. Sie erzählen sich Geschichten über ihn, und dass er sehr mutig sei, wenn er in Aktion trete. Nun hat Gott ihm seinen Aufenthalt in dieser Stadt gewährt. Wenn er es wünscht, begibt sie sich zu ihm auf sein Lager und wird sich an ihn schmiegen. Eines ist sicher, sie hat seinen Wünschen zu gehorchen, vorausgesetzt er töte zuvor alle Weisheit zu Gunsten der Liebe.
Tahmineh hat ihre Worte wohl gesetzt. Rostams Herz ist gerührt von ihrer liebenswürdigen Ansprache. Er lauscht erwartungsvoll den Worten, die sie noch zu ihm sprechen wird, und starrt auf die Kreatur, die mit Vorzügen von guter Qualität ausgestattet ist. Ohne den Segen der Götter läuft nichts und ohne die Einwilligung des Vaters auch nicht. Noch in der Nacht wird ein tugendhafter Priester herbeigerufen, der das Mädchen als Braut für Rostam von ihrem Vater erflehen soll. Als der König von der Sache hört, frohlockt er, da ein anerkannter Held als Schwiegersohn durchaus seinen Vorstellungen entspricht. Im Gleichklang von Brauch und Gesetz wird nun die freiwachsende Zypresse dem Bewerber zur lebenslangen Nutzung übergeben. Der Rest der Nacht verläuft für beide ohne Langeweile. Prächtig geht die Sonne auf und kündete den Liebenden, dass der erste Ansturm nun vorüber sei. Seiner jungen Frau gibt Rostam ein juwelengeschmücktes Amulett, welches er an seinem Arm trägt und später in der ganzen Welt Berühmtheit erlangen sollte. Er sagt zu ihr, dass sie es bewachen möge. Wenn der Schöpfer eine Tochter bewilligt, soll sie das Juwel auf ihre Haarflechte binden, um ihr Glück abzusichern. Wenn die Sterne einen Sohn senden, soll sie es an seinen Arm binden als Andenken an seinen Vater. Den Wuchs von Saam, dem Sohn seines Ahnen Nariman, wird er erlangen und den Geist und den Heldenmut von edlen Männern.
Nr. 10
NACHSPIEL ZUR LIEBESSZENE MIT CHOR
Unter Tränen verabschiedet sich Tahmineh von Rostam. Kummer und Schmerz drücken sie nieder.
Rostam geht dahin, wo sein Pferd Raksch steht. Er fasst es bei der Mähne und liebkost es. Dann schwingt er sich in den Sattel und reitet mit der Geschwindigkeit des Windes davon. Überall erzählt er, was er gehört und gesehen hatte.
DAS BUCH DER KÖNIGE berichtet, dass das Reittier des Rostam ein weißes Fell hatte, welches einen leichten rötlichen Schimmer abgab. Der Hengst war intelligent wie ein Mensch. Oftmals tettete er seinem Herrn das Leben und er scheute sich nicht, es mit einem Drachen auszunehmen.
Als Raksch die Leibesstärle dieses Drachen sah
Und wie er mit dem Königsmacher machtvoll rang,
Da legte er die Ohren an und zerriss
Und durchtrennte die Drachenhaut mit starkem Biss,
Zerschlug das Schulterteil und stieß das Untier um.
Verwundert sah es der Held. Erstarrt stand er und stumm.
Das edle Tier findet selbstverständlich einen Platz im Personenverzeichnis.
DRITTER ABSCHNITT
Nr. 11
DIE GEBURT SOHRABS - Der Bericht des Erzählers:
Neun Monde strichen über die Prinzessin hinweg und dann wurde ihr ein Kind geboren, herrlich wie der Mond. Die Menschen mögen sagen, er habe den Elefantenkörper des Helden Rostams oder den Wuchs eines Löwen wie Saam, dem Sohn des Nariman. Wenn er lächelt, verzieht er sein Gesicht vor Vergnügen. Tahmineh gab ihm den Namen Sohrab. Nach einem Monat war das Kind so robust, als ob es ein Jahr alt sei. Sein Brustkorb stimmte an Volumen mit dem von Zaal, dem Vater Rostams, überein. Als er drei Jahre alt war, übte er Bewegungen, wie man sie auf dem Schlachtfeld sieht. Sohrab steigerte sich. Mit fünf Jahren hatte er bereits den Mut eines Mann mit den Attributen eines Löwen. Als er zehn Jahre alt war, wagte es auch nicht der Beherzteste, mit ihm einen Streit zu beginnen. Ein unvergleichliches Kind, dieser Sohrab!
Nr. 12
KONFRONTATION ZWISCHEN SORAB UND TAMINEH
Eines Tages kam Sohrab zu seiner Mutter und sagte verwegen zu ihr: „Erzähle mir bitte, aus welchen Beständen wurde der Samen entnommen, der meinen Ursprung bewirkte; er sei größer und kräftiger als alle seine Milchbrüder. Wenn er sich strecke, durchdringe sein Kopf die Wolkendecke. So prahlt Sohrab. Was soll er erklären, wenn jemand ihn fragt, wer sein Vater sei?
Nr. 13
TAHMINEH ERZÄLHT SOHRAB ÜBER SEINEN VATER ROSTAM
Die Mutter entgegnet, dass der Sohn jauchzen und seinen Unmut wegstecken soll. Sie habe ihm zu sagen, dass er der Sohn des Helden Rostam sei. Die Kraft seines Körpers und die Höhe seines Wuchses mit einem Kopf, der bis in die Wolken rage, rühre von seinem Stammbaum her und beweise seine edle Abkunft. Nie wieder habe der Weltenschöpfer eine ähnliche Leistung vollbracht, nachdem er den Ritter Rostam geschaffen hatte. Einer seiner Vorfahren war Saam, der Sohn des Nariman, dessen Kopf ebenfalls an die Wolkendecke heranragte. Doch die Kumuluswolken wagten nicht, Saams Haupt zu berühren, denn dann hätte es eine Revolution gegeben.
Nach dieser feierlichen Einleitung bringt die Mutter einen Brief herbei, den der Kriegsherr Rostam ihr geschickt hat. Unter verdeckter Hand zeigt sie ihm drei glitzernde Rubine und einen Beutel Gold, ein Geschenk des Vaters für ihn aus dem Iran.
Die Mutter fährt in ihren Ausführungen fort. Afrasiab, der Herrscher des Landes Turan, sei der Erzfeind seines glorreichen Vaters. Die Existenz des Sohnes muss vor ihm geheim gehalten werden, denn sonst würde er ihn aus Hass erschlagen. Doch wenn der Vater erfahren würde, wie prächtig der Sohn gediehen sei, würde er ihn seinen Interessen unterstellen und ihn prahlerisch auffordern, zu ihm zu stoßen. Doch das würde für das Herz seiner Mutter nur Schmerz und Kummer bedeuten. Deshalb denke sie auch nicht daran, ihn zu einem Besuch einzuladen.
Sohrab kann über die Einfalt der Mutter nur den Kopf schütteln. Wie soll es möglich sein, ihn mit seinen Qualitäten vor der Welt verborgen zu halten? Die Besorgte soll ihm von den Kriegen der Vergangenheit erzählen und weshalb der Kriegsherr Rostam sich mit dem Herrscher von Turan überworfen habe.
Zweifellos war Sohrab ein Held, wenn auch nicht so bedeutend wie sein Vater. Die zahlreichen Miniaturmalereien zeigen ein liebes einnehmendes Gesicht. Er dache allerdings nicht daran, die Frauen, die er begehrte, zu umwerben, sondern fing sie mit dem Lasso ein. DAS BUCH DER KÖNIGE berichtet von Gurdafrid, die sich allerdings heftig zur Wehr setzte:
Wenn so beherzt die Frauen der Iraner streiten,
Was soll man da von ihren Keulenkämpfen sagen?
Gar wacker stehen sie im Schlachtfeld ihren Mann
Und wirbeln gar den Staub bis zu den Wolken auf.
Vom Sattel löste er die Schlinge seines Lassos,
Er schleuderte es weit, es fasste ihre Mitte.
„Such nicht, mir zu entkommen“ rief er laut zu ihr.
„Was kämpfst du gegen mich, du mondschöne Maid?
Ein Satansweib wie du ging mir noch nie ins Netz.
Aus meinen Armen kommst du nun nicht wieder frei.“
Nach diesem Kampf gab Gurdafrid die Hoffnung auf,
Und keinen anderen Ausweg glaubte sie zu sehen,
Als dass sie frei ihr Angesicht Sohrab darbot.
„Du kühner löwengleicher Held!“ rief sie zurück,
„Zwei Heere schauen zu, wie wir den Kampf austragen,
Mit Schwertern und mit Keulen aufeinanderschlagen.
Mein langes offenes Haar sieht jeder ganz genau,
Und wer es sah, erzählt’s: „Der Held fing eine Frau.“
Nr. 14
SOHRAB PLANT DEN KRIEG GEGEN DEN IRAN
Im Iran herrscht der Schah Kavos. Sohrab plant, in Turan Männer um sich zu versammeln, eine Armee zu bilden, um den mit wenig Glück Regierenden seine Grenzen klarzumachen Er wird ihn bewegen, aus seiner Räuberhöhle hervorzukommen und alle Spuren von ihm auslöschen. Der Thron ist dann verwaist. Sein Vater wird auf ihm Platz nehmen und den Kronschatz wird er ihm schenken. Die Mutter wird er zur Königin von Fars machen. Edle Absichten eines wohlgeratenen Sohnes!
Aber damit nicht genug, anschließend wird Sohrab vom Iran nach Turan marschieren und König Afrasiab von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Mit seiner Lanze wird er den amtierenden Herrscher den Abschied aus dieser Welt zu erleichtern, damit auch dieser Platz frei wird für den geliebten Vater. DAS BUCH DER KÖNIGE formuliert die Tötungsabsicht folgendermaßen:
In seine Leibesmitte dringt die Lanze ein
Und nichts wehrte sie ab. Sie teilt Fleisch und Bein.
Angespornt wird er zu diesem Streit durch seine Löwennatur und der Einsicht, dass niemand auf der Welt besser geeignet ist, die Krone zu tragen, als der liebe Vater. Auch die Mutter wird profitieren. Das kostbare Diadem, welches sie auf dem Haupt trägt, wird den Glanz der Sterne bei weitem übertreffen. Auf der ganzen Welt gibt es keinen Sohn, der seine Eltern noch mehr liebt als Sohrab.
Palst von Kys Kala in Merv (Foto: Erika Schaller)
VIERTER ABSCHNITT
15
DER PALAST VON KÖNIG AFRASIAB
Neuigkeiten wurden zu Afrasiab gebracht. Sohrab starte Schiffe auf dem Fluss und versammle eine Armee um sich. Seinen Kopf hebe er hoch wie die Zypresse auf der Wiese. Von der Muttermilch noch nicht entwöhnt, hantiere er mit dem Schwert und übe sich im Bogenschießen.
Als Afrasiab diese Worte vernahm war er äußerst befriedigt, lachte ungeniert und zeigte sein Vergnügen. Aus seiner Armee wählte er den Krieger aus, der in der Handhabung der schweren Keule die meiste Erfahrung hatte. Mit ihm beriet er seine Strategie. Alles, was sie besprächen, solle er unter Bedeckung halten. Der Sohn muss nicht wissen, welches Aussehen sein Vater hat, nichts soll er in Erfahrung bringen von seiner Kindheit, nichts von seiner Abstammung, nichts fühlen von Rührung und Liebe. Wenn Vater und Sohn erst zusammengebracht sind und sich mit ihren Gesichtern gegenüberstehen, wird Rostam zweifelsfrei versuchen, die Oberhand zu gewinnen. Bei dieser Gelegenheit dürfte der betagte Held durch die Hände dieses Löwenmannes den Tod finden. In seinem Netz grenzte er einst den Aufenthalt von Kai Kavos ein. Einst gehörte Afrasiab der Iran bevor Rostam den Schah als Lehnsherrn anerkannte und alle undankbaren Aufgaben für ihn erledigte. Afrasiab hat allen Grund, seinen Widersacher zu hassen. DAS BUCH DER KÖNIGE berichtet:
Falsch war es, dass Rostam des Feindes Hüften packte,
Er hätte ihn besser bei den Achseln fassen sollen.
Er griff beim Gürtel ihn und warf ihn in den Dreck.
Die Völker sahen es mit Grauen und schrieen laut vor Schreck.
Turans Herr in seiner großen Not entkam,
Auf schnellem Renner suchte er sein Heil.
Da konnte man der Elefanten Glocken hören,
Die Pauken waren viele Meilen zu vernehmen.
Und frohe Kunde brachte man dem Schah: “Rostam
Bezwang des Feindes Heer, und er zerriss sein Herz!“
Wenn Sohrab erst erschlagen ist von seinem eigenen Vater und dieser das Geschehene begreift, ist das edle Herz dieses Mannes von Kummer vereinnahmt und keiner großangelegten Aktionen mehr fähig. So kalkuliert König Afrasiab. Ein Ekelpaket, dieser Usurpator!
Nr. 16
SOHRAB IM KRIEG
Kai Kavos schreibt einen Brief an Rostam und unterrichtet ihn vor der Gefahr, die dem Land von den Angreifern nördlich der Grenzen drohe und beschreibt ihren Führer. Ein Krieger von solcher Tapferkeit könne sich unter den Turaniern nicht befinden, antwortet Rostam, denn dieses Volk sei außerstande, einen solchen Mann hervorzubringen. Von einer Tochter des Königs von Samangan – den Namen habe er vergessen – habe er einen Sohn gehabt, dieser sei mit ihm zu identifizieren. Er sei noch viel zu klein, um auf eine solche Beschreibung zu passen.
Mit diesem Bescheid endet der erste Akt. Eine große Tragödie bahnt sich an.
***
musirony - Engelbert Hellen
CD-Empfehlung:
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