musirony - Alma de Dios
 

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ZARZUELA




José Serrano [1873-1941]

Alma de Dios

Eine Seele von Mensch



Lyrische Burleske in einem Akt und vier Bildern

Libretto von Carlos Arniches y Barrera und Enrique Garcia Alvarez


Uraufführung
am 12. Dezember 1907, Teatro Cómico, Madrid

Personen:

Ezequiela, Hausfrau
Señor Matías, Ihr Mann
Eloisa, eine elternlose junge Frau
Señor Augustín, ihr Verehrer, Neffe von Ezequiela
Señora Marcelina, Eloisas Tante
Irene, ihre Tochter
Señor Adrián, deren Mann
Maria Carmen, Pepe und Onkel Zuro
Zigeuner, Kirchendiener, Dorfbewohner, Marktvolk
und Jesus, ein Findelkind

Das Geschehen spielt zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts am Stadtrand von Madrid 

 


HANDLUNG


Erstes Bild: Die Wohnung von Ezequiela und Matías
 

'Alma de Dios' ist ein Wortspiel, welches dem deutschen Äquivalent 'Eine Seele von Mensch' entspricht. Diese gehört der ebenso resoluten wie gutherzigen Ezequiela, die in Familie und Nachbarschaft den Ton vorgibt. Das große Wort führt allerdings ihr Mann Matías. Auf dem Marktplatz hat er einen Stand und verkauft dort Röstkastanien. Er liebäugelt gern mit seinen Kundinnen, was seine Frau aber nicht erhitzt, weil sie weiß, dass nichts von Bedeutung hinter ihrem Rücken passieren wird. Zur nahen Verwandtschaft gehören noch Señora Marcelina, - figürlich eine Matrone - mit ihrer Tochter Irene. Letztere ist mit Adrían verheiratet, dessen Charakter von Misstrauen geprägt ist. Dem Haushalt war zeitweilig auch Marcelinas Nichte Eloisa zugehörig, die ohne Eltern aufwuchs und sehr schutzbedürftig ist.

Ursache eines Streits, der erneut aufflammt, ist ein uneheliches Kind von dem niemand so recht weiß, wo es herkam und von wem es abstammt. Wie ein Komet am Himmel, der einen langen Schweif hinter sich herzieht, tauchte es seinerzeit auf und verschwand ebenso plötzlich wieder. Der Tratsch wird von Marcelina bewusst angeheizt. In der Nachbarschaft erzählt sie herum, dass ihre Verwandte Eloisa mit ziemlicher Gewissheit die Kindesmutter sei. Damit will sie den Verdacht von ihrer Tochter Irene ablenken, denn wenn diese die Wahrheit zugeben müsste, würde Adrián in seiner Ehre gekränkt sein und sie verlassen. Auf der anderen Seite befürchtet Eloisa ihren Freund Augustín ebenfalls zu verlieren, falls sie den Verdacht auf sich sitzen lässt. Augustín ist der Neffe von Ezequiela und diese schaltet sich auf Bitten Eloisas nun schlichtend in die Angelegenheit ein. Völlig korrekt steht Ezequiela auf dem Standpunkt, dass man unbekannten Fakten auf den Grund gehen sollte. Das Taufregister in der schmucken Kirche am Stadtrand hat mit Sicherheit alle Daten des kleinen Erdenbürgers registriert.

Zweites Bild: Die Sakristei

Die fünf Choristen möchten dem Team des Bergklosters Montserrat in der Gesangskunst nicht nachstehen. Deshalb wurde der lateinische Text sorgfältig gelernt, doch es fehlt ganz einfach an Andacht und Seele, diesen stilgerecht zum Tönen zu bringen. Das ändert sich schlagartig, als draußen ein Leierkastenmann seinen Karren vorbei schiebt und den neuesten Tango herunterspult. Die Chorknaben fangen die Melodie auf und unvermutet wird die Litanei modifiziert und auf den Rhythmus der gemächlich vorbeiziehenden Drehorgel umgestellt. Der himmlische Vater wird seine Freude haben, denn die Mixtur klingt nicht schlecht und vor allem – sie kommt von Herzen.

Unter der Führung Ezequielas erscheint ihr Tross in der Sakristei, in der Absicht in den alten Kirchenbüchern ein bisschen zu blättern. Der Pastor ist gerade damit fertig geworden, einen Text nachzutragen, den er zuvor laut und deutlich vor sich hin buchstabierte. Die Niederschrift wurde seinerzeit offenbar vergessen und der Mann Gottes handelt vollkommen richtig, das Versäumte nachzuholen. Wie gut, dass Señora Marcelina sich einer Begebenheit noch erinnern konnte, über die schon Gras gewachsen war!

Ihren Schwiegersohn, der überhaupt nicht weiß, um was es geht, hat die Tugendreiche mit einem Briefchen an den Herrn Pfarrer losgeschickt. Einen schönen Vornamen hat sie ausgewählt und Eloisa als Kindesmutter bezeichnet, auf dass das Versäumte noch schleunigst nachgetragen werden kann, denn es darf nicht angehen, dass in der Gemeinde Kinder geboren werden, deren Taufe kirchlich nicht beurkundet ist.  

Im Gegensatz zum Theaterbesucher wissen die Ankömmlinge nicht, dass die Tinte des Eintrages noch ganz frisch ist. Eloisa ist sich nicht bewusst, jemals ein Kind zur Welt gebracht zu haben. Doch im Kirchenbuch steht es schwarz auf weiß und Augustín - genau so misstrauisch wie Adrián – zieht unverzüglich die Konsequenz und macht sich davon. 

Drittes Bild: Belebte Straßenecke von Madrid am Abend. 

Das Geschäft floriert. Zum Stadtteilfest kommen die Menschen in Scharen. Alle wollen von den Esskastanien naschen, die Matías feilbietet. Ein blinder Musiker setzt mit dem Fuß seinen Blasebalg in Bewegung und produziert mit seiner angenehm klingenden Stimme Folklore am laufenden Meter. Die Kasse stimmt und zwischendurch findet der Kastanienhändler noch reichlich Zeit zum Schäkern. Er weiß, dass seine Frau nicht kleinlich ist und ihm das kleine Vergnügen, mit dem anderen Geschlecht ein bisschen Umgang zu pflegen, gönnt. Langjährig verheiratet, weiß sie was sie an ihm hat und er ihr im Grunde seiner Seele treu ergeben ist. 

Eloisa hat sich bei Ezequiela ausgeweint. Wenigstens eine Bezugsperson, die ihren Beteuerungen glauben schenkt! Die Angesprochene trinkt gern klaren Wein und solchen möchte sie auch der Nachbarschaft einschenken. Klarheit verspricht sie sich von einem Besuch im Zigeunerlager auf den benachbarten Hügeln. Es stimmt nicht, dass Zigeuner fremde Kinder ausschließlich stehlen. Wenn sie das Lager abbrechen, finden sie manchmal auch Säuglinge am Wegrand, die von ihren Müttern abgeschoben wurden. Ein Zigeunerlager funktionierte damals wie die Babyklappe der heutigen Zeit. Ezequiela macht sich mit ihrer Abordnung, zu der sich auch Marcelina und Irene eingliedern, auf den Weg, um zu sehen, ob es bei den Gitanos klaren Wein im Ausschank gibt. Den beiden Señoras schlottern ein wenig die Knie. 

Viertes Bild: Abendstimmung im Zigeunerlager

Zum fahrenden Volk hat man ein gutes Verhältnis, die Besuchten fühlen sich geehrt und die abendlichen Gäste werden mit Wohlwollen empfangen. Im Zigeunerlager geht man unterschiedlichen Beschäftigungen nach. Es werden Körbe geflochten, Teppiche gewebt, Esel gefüttert oder aus der Hand gelesen. Weil der Theaterbesucher es so erwartet, wird auch Gitarre gespielt, Bolero getanzt und mit den Kastagnetten geklappert. Zur Begrüßung erscheinen Maria Carmen, Pepe und Onkel Zuro. 

Man kommt nicht sogleich zur Sache, sondern genießt die Stimmung des Abends, die durch die untergehende Sonne noch verklärt wird. Eine Gruppe auswärtiger Gitanos mit Bären und Affen ist eingetroffen und unterhält mit den schwermütigen Rhythmen einer anderen Region die Anwesenden. Die wandernden Schausteller suchen für einige Nächte Unterschlupf und beabsichtigen dann weiterzuziehen.

Matiás hat die Fähigkeit und die Redegewandtheit, das Anliegen der Gruppe vorzutragen. Der Stammesälteste kann sich erinnern, dass ein kleiner Bub unbekannter Herkunft bei ihnen aufwächst. Jesús, für einen Spanier kein ungewöhnlicher Name, wird der Kleine genannt, der als Säugling von fremder Hand dem Lager überantwortet wurde.

Sobald Irene den Buben zu Gesicht bekommt und in seinen Zügen den Jugendgeliebten wiedererkennt schrillt in ihrem Innern die Stimme des Blutes. Die Mutter findet zu ihrem Kind und schließt ihren Jesús-Knaben in die Arme. Ihr Mann ist ihr plötzlich egal und die anderen Menschen sind es ihr auch. Irene will ihr Kind zurück und es sofort nach Hause mitnehmen. Alle Anwesenden sind unsäglich gerührt.

Ezequiela sieht nun als nächsten Schritt, den lieben Adrián zu entkrampfen und den Augustín zurückzuholen. Wird ihre Taktik und Geschicklichkeit die heiklen Aufgaben bewältigen? - Gewiss doch!

Anmerkung:

Man kann es als dramaturgischen Kunstgriff ansehen, dass im ersten Akt, der mehr einem Prolog gleicht, nur gesprochen wird. Selbst die Hauptperson Ezeqiela, darf nicht mit  einer einzigen Melodie glänzen. Der musikalische Aufbau entwickelt sich nur zögerlich, um dann zum Schluss im Zigeuner-Akt ein grandioses Feuerwerk zu versprühen. Man denkt unwillkürlich an de Fallas 'El Amor brujo'

 

***
musirony 2009 - Engelbert Helle
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