Weltuntergang
Leopold I [1640-1705]
Die Trauer des Weltalls
Il lutto dell'Universo
Oratorium
Heilige Handlung für das Grab des Herrn
Libretto von Francesco Sbarra,
deutsch von Richard Bretschacher
Uraufführung am 29.03.1668
Charaktere:
Die Göttliche Barmherzigkeit
Die Göttliche Gerechtigkeit
Das Element des Feuers
Das Element der Luft
Das Element des Wassers
Das Element der Erde
Die menschliche Natur
Der Heilige Petrus
Der Heilige Johannes
Die 'Seligste Jungfrau'
INHALTSANGABE
Die Welt ist böse und hat Jesus von Nazareth ans Kreuz geschlagen. Gewissensbisse haben die vier Elemente, weil sie unfreiwillig zu Mittätern bei einer schweren Straftat herangezogen wurden.
Zuerst beklagt sich das Wasser aus dem Jordan. Einst hatte es dem Erlöser den lichtbringenden Scheitel benetzt und seine Hände, die nie nachlassen wollten, göttliche Gnade zu spenden, gekühlt. Nun wird es gezwungen, dem ruchlosen Juda die unreinen Füße zu waschen.
Die Erde, die einst als Werkstoff dem höchsten Meister diente, die Wohnstatt der Menschen zu schaffen, soll nun das Blut vermischt mit Schweiß, der lieblichen Sonne trinken, die im Kampf mit der Hölle den Sieg davongetragen hat.
Das Feuer, welches als Säule in der Wüste den Menschen bei Nacht den Weg gewiesen hat, will dem wilden Volk nicht länger leuchten, welches in Hochmut daherkommt, um einen Gott zum Tode zu schleppen.
Die Luft fühlt sich genötigt, das Schreien, Toben, Hohnlachen und Schmähen in alle Himmelsrichtungen davonzutragen, was nicht ihrer Berufung entspricht. Sie ist in erster Linie zum Einatmen gedacht.
Die vier Elemente entrüsten sich, was das Zeug hält! Die Schuld befindet sich in Freiheit und die Unschuld liegt in Fesseln.
Wieso vergeht die blinde Welt nicht in endlosem Schmerz ob solcher Schandtat, und warum hüllt der Himmel sich nicht in dunkle Schleier und duldet solchen Frevel? Die Krone aus Dornen durchbohrt die göttlichen Schläfen. Die wohltätige Hand hält ein schales Sumpfrohr als Zepter umklammert. Mit scharfer Beobachtungsgabe registrieren die Elemente jedes Detail der schrecklichen Geschehnisse und geben sich gegenseitig ihren Kommentar.
„Die Menschliche Natur“ stimmt überein, das Bestrafung der Missetat vonnöten sei und ist der Ansicht, dass die Elemente nicht klagen, sondern handeln sollen. Sie nimmt wahr, dass Sonne und Mond von Schrecken umzingelt werden und der Himmel sich verdüstert. Trauervoll und blutfarben verschwindet der Mond schließlich ganz. Voll unheilbringender Blässe ziehen die Planeten unlustig ihre Bahn. Die erhabene Halle des Himmels erbebt unter der Last fürchterlichen Geschehens. Nun wäre es an der Zeit, dass die Erde aus finsterer Mitte erzittert und die Pole sich entwurzeln sollten. Theoretisch müsste dies für die ruchlose Welt der letzte Tag sein.
In hellem Schrecken, in düsterem Grausen, in wilder Qual und in bitterem Schmerz friert, seufzt, klagt und stöhnen die Erde, das Feuer, das Wasser und die Luft. „Die Menschliche Natur“ hetzt die Elemente auf, nicht länger zu zaudern, sondern hart durchzugreifen, denn Tatenlosigkeit und Milde seien unangebracht. Tatsächlich lassen die Elemente sich mitreißen. Sie wollen verderben, verschlingen, versengen und verschlucken, alles, was sich bewegt.
Doch nun meldet sich „Die Göttliche Barmherzigkeit“ zu Wort, weil sie sich in ihrer Kompetenz bedroht sieht. Wer hier zu sagen hat, bestimmt nur sie allein. Sie ist der donnernde Richter und wird jeden Arm entwaffnen, der es wagt, Blitze zu streuen. Der ewige Schöpfer will die Welt nicht vernichtet sehen – dafür hat er sie nicht geschaffen - sondern dem Menschengeschlecht, welches sich in Irrsal verfangen hat, Heilung bringen. Die Feuerschlünde der Hölle hatten sich bereits geöffnet und das unschuldige Blut des Himmelssohnes, ergab sich als einziges Mittel, die Übel der Welt zu waschen. Die Elemente sollen zu sich zurückkehren und sich an die zugewiesenen Pflichten erinnern, damit Chaos vermieden wird.
So gelang es, der „Göttlichen Barmherzigkeit“ Frieden zu stiften und die aufgebrachten Kontrahenten zu beschwichtigen. In der zerbrechlichen Welt befand sich jede Seele in Gefahr, die dem Himmel lieb ist, wäre nicht von ganz oben Gottes einziger Sohn, Rettung bringend, hernieder gekommen. In den Abgrund, in die schlimmste Pein, wäre die Welt gestürzt, wenn nicht die „Ewige Liebe“ sich eingeschaltet hätte und der Menschensohn unmenschlichen Menschen nicht Hilfe gebracht hätte. Die „Göttliche Gerechtigkeit“ ist es zufrieden, dass nun wieder aufgeatmet werden kann und dem Pluto das grässliche Feuermaul gestopft wurde
Der Heilige Petrus erinnert sich seiner unrühmlichen Vergangenheit und stellt die bange Frage, warum nicht ihn, den sündenbeladenen Mann, damals im nächtlichen Garten der Blitz getroffen, nachdem er den Erlöser dreimal verraten habe. Die beiden göttlichen Attribute schlagen vor, dass er nachträglich weinen soll, dann ist alles wieder in Ordnung gebracht. Was stellen die beiden unzertrennlichen Gefährten Gottes sich nun vor, wie es in der Welt weitergehen soll? Lohn und Strafe soll gleichmäßig verteilt werden. Dabei ist die Reue ein wichtiger Faktor. Auf die Reue folgt die Buße! Wer Gelübde nach oben sendet, wird den Himmel immer offen finden. Die Blume der Verzeihung ist um vieles lieblicher, wenn sie aus Tränen erwächst, sagt die „Göttliche Barmherzigkeit“ und die Blume der Gnade um vieles erquickender, wenn sie von Tränen genährt wird, urteilt die „Göttliche Gerechtigkeit“
Der Heilige Johannes kommt noch hinzu und trauert, weil er damals davongelaufen sei. Als Lieblingsjünger hätte er den wilden Horden mehr Standfestigkeit entgegenbringen sollen. Die „Allerseligste Jungfrau“ nimmt seine Gewissensbisse nicht besonders wichtig.
Es musste alles so kommen, wie es gekommen ist, sonst hätte das Heilswerk nicht vollbracht werden können.
Vor allem muss das Gemüt sich ändern. Heiterkeit, Freude und Sanftmut, sind die geeigneten Weggefährten des Menschen, damit die Welt weiterhin existieren kann.
Anmerkungen
Was den Ernst und die Tiefe der Inspiration angeht, war seine Kaiserliche Majestät, Leopold I., in seinen Musikwerken den Hofkomponisten überlegen. Unter diesen befand sich kein Geringerer als Antonio Cesti, des Schöpfers der monumentalen Oper „Il pomo d’oro“ und der „Orontea“, das sarkastische Gegenstück.
Die Chronik berichtet, dass der Komponist Antonio Cesti bei der Uraufführung des Oratoriums die Bass-Parti des „Elementes der Erde“ gesungen haben soll. Verbürgt sind Aufführungen des Oratoriums an den Karfreitagen vom 23. März 1674 und 27. März 1682 in Anwesenheit der kaiserlichen Familie.
***
Musirony 2006 - Engelbert Hellen