Erstes Bild: DER FESTSAAL
Die Sommersonnenwende wird in Schweden traditionell festlich begangen. Die Bauernmädchen schmücken im Schloss den Festsaal mit Bändern, Blumen und Girlanden. Der weltgewandte und allseits beliebte Jean ist Kammerdiener des Grafen und weisungsbefugt. Julia, die Tochter des Hauses, weiß nicht so recht, wie sie sich dem Diener nähern soll, provoziert ihn und befiehlt, die Dekorationen wieder abzunehmen.
Das adelige Fräulein hat Verdruss. Der Vater will ihr einen standesgemäßen Verlobten zuteilen, zu dem sie überhaupt keine Zuneigung empfindet. Ihre Dominanz lässt sie den Unterwürfigen deutlich spüren. Sie fordert ihn auf, über die hingehaltene Reitpeitsche zu springen, mit der er anschließend eins drübergezogen bekommt. Leibesübungen sind nicht seine Stärke und so verlässt der Bräutigam unter Protest den Saal. Auf den Titel eines Grafen verzichtet er gern und wirft der Verhaltensgestörten den Verlobungsring vor die Füße.
Die Musikkapelle hat sich formatiert und spielt höfische Tänze. Julia sind diese zu steif und sie tanzt nicht mit.
Zweites Bild: DIE SCHEUNE
Die Bauern tanzen viel lieber in der Scheune, wo sie ausgelassen und unbefangen sein können. Das dauert aber nur an, bis Julia als Störenfried erscheint. Sie befiehlt dem verdutzten Jean, mit ihr zu tanzen und Christine einfach stehen zu lassen. Ein wenig angetrunken drängt Julia sich leidenschaftlich an den attraktiven Mann, bis die plumpen Annäherungsversuche dem Diener zu viel werden. Er verlässt die Scheune und seine Verlobte folgt ihm nach.
Drittes Bild: DIE KÜCHE
Jean empört sich bei Kristine über Julias unmögliches Verhalten. Julia erscheint ebenfalls in der Küche und setzt ihre Annäherungsversuche fort. Kristine verlässt den Raum und schildert die Situation den Bauern, die aufgebracht Jeans Abwehrmanöver unterstützen wollen. Julia rät zur Flucht durch die Hintertür in die Kammer des Dieners, die ihnen als Versteck dienen soll. Nachdem die Bauern die Küche geräumt haben, taucht das Pärchen wieder auf. Ihre Kleidung ist unordentlich und die Textilien sind ein wenig zerschlissen. Jean ist kein Mann, der sich lenken lässt und spürt, dass er Julia in die sexuelle Abhängigkeit zwingen kann.
Viertes Bild: DIE AHNENGALERIE
Julia hat die Vorstellung, dass Jean es ernst mit ihr meint und will mit ihm der Öde des Schlosses entfliehen, um gemeinsam in der großen weiten Welt ein neues Leben anzufangen. Sie hat den Familienschmuck zusammengerafft und in ihrer Handtasche verstaut, um mit dem Erlös die gemeinsame Zukunft angenehm zu gestalten. Diesen Frevel lassen die Ahnen nicht zu und treten aus dem Bilderrahmen. Es hagelt Vorwürfe und Drohungen überirdischer Natur. Julia verspürt Gewissensbisse und sinkt in Ohnmacht. Als sie erwacht, stellt sie fest, dass der uralte Ahnenvater ein Schwert neben ihrem Körper deponiert hat. Soll das etwa in Anlehnung an japanische Sitten eine Aufforderung zum Selbstmord sein? Die Ahnen sind in ihre Bilderrahmen zurückgekehrt und mit ihnen wartet Jean gelassen, ob Julia sich zum Suizid entschließen wird.
Anmerkungen:
Der Erstaufführung folgte die viel beachtete offizielle Premiere an der Königlichen Oper Stockholm, die vielfach in Ballettführern als Uraufführung angesehen wird.
August Strindberg, neben Henrik Ibsen der bedeutendste Dramatiker Skandinaviens, leuchtet in seinen Dramen das Spannungsfeld im Kampf der Geschlechter tiefenpsychologisch aus. Das männliche Prinzip hat in der Regel einen schweren Stand.
William Alwyn hat das Strindberg-Drama als Vorlage für seine Oper ‚Miss Julie’ genommen
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musirony 2007 - Engelbert Hellen