musirony - Boris Godunow
 

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Modest Mussorgsky [1839-1881]

Boris Godunow


Musikalisches Volksdrama in einem Prolog und vier Akten


Libretto in russischer Sprache vom Komponisten nach dem Drama Alexander Puschkkins

und der Chronik des Historikers Nikolaj M. Karamzin

Uraufführung am 08.021874 ins St. Petersburg

Deutsche Erstaufführung 1913 in Breslau

       

 

Personen:      

Boris Godunow, Zar von Russland (Bass)             

Feodor, sein sein Sohn (Mezzosopran)                  

Xenia, seine Tochter (Sopran)

Xenias Amme (Mezzosopran)

Wassili Iwanowitsch Schuiski, russischer Fürst (Tenor)

Schtschelkalow, Geheimschreiber (Bass)

Pimen, Eremit (Bass)

Grigorij Otrepjeff, der falsche Dimitrij (Tenor)

Marina Mnischek, Tochter des Woiwoden von Sandomir (Sopran )

Rangoni, esuitenmönch  (Bass)                         

Eine Schenkwirtin (Mezzosopran)

Waarlaam und Maissail, entlaufene Mönche (Bass und Tenor)

Ein Schwachsinniger und weitere

Bojaren und russisches Volk

Das Geschehen spielt zwischen 1598 und 1605 in Russland und Polen


 
ein Bild INFO über den historischen Boris Godunow

 


 INHALTSANGABE

PROLOG

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Machtgeier wollen gebeten sein, die von ihnen begehrte Krone huldreich anzunehmen, damit später niemand behaupten kann, man habe danach gegriffen. Nicht immer finden sich Bereitwillige, die auf die Knie fallen, und dann muss die Obrigkeit ein bisschen nachhelfen. Im Jungfrauenkloster bei Moskau, welches Boris Godunow für sein Anliegen auserkoren hat, schwingt der Vogt die Knute. Die Teufelsbrut soll endlich demutsvoll auf die Knie sinken und die erwünschten Rufe nach Schutz und Hilfe erschallen lassen! Die Tränen fließen auf Grund der bezogenen Prügel reichlich bis das gewünschte Resultat erzielt wird: Der liebe Vater Boris soll doch endlich Bereitschaft bekunden, sich mit den Insignien der Macht zu schmücken, damit Mütterchen Russland wieder einen Beschützer hat. Der Geheimschreiber Schtschelkalow verkündet, dass Boris unerbittlich sei und das Ansinnen zurückweise. Schließlich lässt er sich doch „überreden“, die Zarenkrone anzunehmen und für den morgigen Tag ist im Kreml die Krönung angesagt. Die Schäfchen sind mit allem Nachdruck ersucht, zu erscheinen.

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SZENENWECHSEL                                         

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Im Moskauer Kreml läuten die Glocken. Bojaren und Strelitzen formatieren sich zur Prozession, um dem zukünftigen Herrscher die gebührende Ehre zu erweisen. Zwischen Zarenpalast und Uspenski-Kathedrale liegt das Volk auf den Knien. Der Zar Boris sei gepriesen! Das juwelengeschmückte Pelzhütchen liegt auf einem seidenen Kissen, welches Fürst Schuiskij vor sich herträgt. Das Volk fordert sich gegenseitig auf, zu jauchzen und vor allem laut zu singen. Eine Zarenkrönung gibt es nicht alle Tage.

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Der Zar ist nicht in bester Stimmung. Beklommenheit hat sich seiner bemächtigt. Der erhabene Vater im Himmel soll gnädig auf seine Tränen herabsehen und mögliches Unheil fernhalten. Es ist sein fester Vorsatz, gerecht und gnadenreich zu regieren. Es wird noch kurz der entschlafenen Herrscher Russlands gedacht und dann bittet man zum Festschmaus an die Tafel. Bojaren und Bettler, alle sind eingeladen. Gepriesen seiest du Väterchen! Ruhm dem Zaren Russlands!

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Erster Aufzug:


ERSTES BILD

Nach jahrelanger Fleißarbeit ist der weißbärtige Mönch Pimen mit dem Beistand des Himmels nun endlich fertig geworden, eine Chronik über die Vergangenheit der russischen Dynastien zu schreiben. Er hofft nun, dass junge Mönche fleißig kopieren, damit seine Botschaft eine breite Leserschaft erreicht. Seine Zelle im Čudovk-Kloster teilt er mit dem jungen Grigorij, der jedoch ganz andere Ambitionen hat, als Schriften zu kopieren. Ihn plagen vor allem seltsame Träume, die ihn zu ungeahnten Höhen aufsteigen lassen. Das Volk nimmt er wie wimmelnde Ameisen wahr und plötzlich zieht es ihn aus schwindelerregender Höhe nach unten und er fällt und fällt...

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Gegen unliebsame Träume helfen Fasten und Kasteien. Dem Alten passiert es auch zuweilen, dass er in seinen Träumen wildes Kampfgeschrei hört, er an Festgelagen teilnimmt und die tollen Lüste der Jugendzeit fühlt. Meistens hat er vorher vergessen, das Abendgebet zu sprechen und so folgt die Strafe Gottes unverzüglich.

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Grigorij bewundert den Alten. Bei Kazan hat er sich im Kampf getummelt und mit starker Faust den Feind verjagt. Die dunkle Zarenpracht des schrecklichen Iwan durfte er schauen. Ihm selbst hat das Schicksal bestimmt, von Klosterzelle zu Kosterzelle zu pilgern, wozu er überhaupt keine Lust hat. In den Kampf möchte er hinausziehen und am Zarenhof den Becher leeren! Pimen beruhigt ihn. Der Alte erinnert sich, dass manche Zaren den Purpur mit der Kutte gern getauscht haben. Die Welt erscheint nur von weitem schön und Liebe bringt dem Herzen Leid. Kyrill, der heilige Dulder, lebte an diesem Ort. Selbst der schreckliche Iwan ruhte hier in seiner Zelle und heiße Reuetränen flossen aus seinen finsteren Augen. Gott hat des Zaren Demut gnädig angesehen, so dass zur Belohnung in seiner Todesstunde Wohlgerüche die Säle des Kremls durchströmten. Solche Zaren gibt es heutzutage nicht mehr. Russland hat sich zum Herrscher einen Kindermörder auserkoren. Das war ein Frevel und Gott zürnt. Grigorij weiß auf was der Ehrwürdige anspielt und will jetzt genau wissen, was damals in Uglič mit dem jungen Dimitri passierte.

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Was Pimen erzählt, klingt seltsam. Tatzeuge war er nicht, aber er berichtet, dass der schwer verletzte Zarewitsch im Hof der Kathedrale in einer Blutlache gefunden wurde. Mutter und Amme beugten sich weinend über ihn. Den Tätern gelang es nicht, zu entwischen und wurden zum Tatort gezerrt. Der Körper des Zarewitsch erbebte und man nahm dies als Indiz für die Täterschaft der dringend Verdächtigten. Unter Androhung von Lynchjustiz nannten diese als Anstifter und Auftraggeber den jetzigen Zaren Boris.

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Pimen stellt fest, dass Grigorij jetzt das Alter von Grigorij erreicht haben dürfte und setzt ihm einen Floh ins Ohr. Könnte es nicht sein, dass Grigorij selbst der Zarewitsch ist? So ganz sicher sei es nicht, dass der kleine Thronfolger damals an seinen schweren Verletzungen gestorben sei.

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ZWEITES BILD

Dem jungen Grigorij hat es im Kloster in Moskau nicht mehr gefallen und ist ausgebrochen. Unterwegs haben sich die Mönche Missail und Warlaam zugesellt, denen das Klosterleben auch nicht zugesagt hat. Die beiden sind dem Wodka zugetan und finanzieren ihren Flüssigkeitsbedarf aus milden Spenden frommer Seelen. Bald wird man in Litauen sein und die drei finden sich in einer Schenke an der Grenze ein. Die Wirtin unterhält ihre Gäste mit dem Lied vom grauen Enterich. Er soll herbeifliegen, damit sie sein Gefieder streicheln kann. Warlaam ist stimmlich nicht unbegabt und er singt mit dröhnendem Bass eine Schauerballade über die schrecklichen Dinge, die einst in der Stadt Kazan geschahen.

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Zar Iwan ließ in aller Heimlichkeit einen unterirdischen Minengang graben, der unter der Stadtmauer hindurch direkt ins Basarviertel führte. Die Tartaren stolzierten in den Straßen umher und schauten von den Wällen auf den Zaren und sein Heer. Dieser ergrimmte und ließ das Pulverfass den Gang entlang rollen. Die Lunte wurde gezündet. Die Tataren flogen lustig in die Höh’ und schrieen Ach und Weh und ehe sich der Pulverdampf verzogen hat, lagen vierzigtausend Leichen in der Stadt.

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Im Grenzgebiet gibt es Häscher, die Steckbriefe dabei haben und wenn eine Beschreibung zutrifft, wird der Betroffene festgesetzt. Manchmal kommt der Grenzschutz sogar ins Wirtshaus, um nach Galgengesichtern Ausschau zu halten. Eine Beschreibung passt sogar auf Grigorij, doch ist dieser im Gegensatz zum Vollzugsbeamten lesekundig. Er verformt den Text so, dass die Beschreibung auf den dicken Warlaam mit der roten Nase passt. Bevor dieser die Gemeinheit aufklären kann, hat sich Grigorij mit einem Sprung aus dem Fenster ins nahe Wäldchen verflüchtigt.

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Zweiter Aufzug:

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DRITTES BILD

Das Täubchen soll nicht weinen, weil der Bräutigam fern von der Heimat in der kühlen Erde liegt. Der Zarewitsch versucht die Schwester zu trösten. Durch Klagen kann man das Schicksal nicht wenden. Die Amme meint, dass der Morgentau die Tränen wegküssen und ein anderer Freiersmann auf Anklang stoßen wird. Kommt der Bursch nicht mehr ins Haus, ist’s auch mit der Liebe aus! Keineswegs, Xenia hat Charakter! In den Wohngemächern der Zarenfamilie wird die traditionelle Vokalmusik gepflegt. Herr Mussorgsky hat fleißig gesammelt und das Niveau angehoben. Die Amme beginnt mit einem Insektendrama. Mücklein trug das Holz herbei und Wänzlein kocht den Morgenbrei. Doch dann kommt das Heupferdchen aus des Popen Wiesenklee und zerstört die Idylle. Dem Zarewitsch gefällt der traurige Schluss, in dem die Mücke sich den Hals bricht, überhaupt nicht. Feodor möchte jetzt ein fröhliches Lied singen und er ist sicher, dass die Amme es bereits kennt. Das Hühnchen hat einen Ochsen zur Welt gebracht und das Schweinchen hat ein Ei gelegt. In der Wohnstube der Zarenfamilie werden viele hübsche Kinderlieder gesungen, auch von einem Bauernweib, welches einen Spatz zur Welt gebracht hat.

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Der Zar nimmt sich immer Zeit für die Familie, wenn sein Gemüt ein bisschen zur Ruhe gekommen ist. Er tröstet Xenia und freut sich, dass Feodor ein kluges Köpfchen hat und die Landkarte des russischen Reiches studiert. Von allen größeren Städten weiß er, wo sie geographisch liegen. Boris setzt sich gedankenverloren abseits an seinen Schreibtisch und zieht Bilanz: Die höchste Macht ist sein, das sechste Jahr regiert er schon in Frieden. In sein gequältes Herz ist die Ruhe nicht zurückgekehrt. Das Beifallsgeschrei der Menge interessiert ihn nicht. Der Tochter, dem reinen Täubchen, wollte er das Hochzeitsmahl richten, doch dann reißt der Tod den Eidam hinweg. Der Himmel zürnt seiner schuldbeladenen Seele und ein heimliches Zittern verfolgt ihn. Mit heißen Gebeten sucht er die brennende Qual des Gewissens zu lindern.

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Ärger gibt es reichlich: Hier ein Aufruhr – dort ein Verrat. Verschwörung lauert überall. Hunger, Pest und schreckliche Verwüstung vervollständigen das Dilemma. Das Volk, verseucht und verhungert, schleicht wie ein wildes Tier umher. Armes Volk! Armes Land! Das Elend hat Gott zur Strafe gesandt, weil Boris gefrevelt hat. Der Zar ist verflucht und das Volk klagt ihn an. Nachts kann er nicht schlafen, weil das ermordete Kind im Traum erscheint und Rechenschaft fordert.

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Fürst Schuiskij bittet um Audienz. Der Zar schätzt seinen Rat und fürchtet seine Ränke. Zur Begrüßung wird er als ärgster Feind des Zarenthrones betitelt und als Verräter, Meineidiger und Heuchler beschimpft. In Hostien soll er sogar Gift platziert haben, um Gegner aus dem Weg zu räumen. Schuiskij setzt sich maßvoll zur Wehr. Von Zar Iwan sei er mit solchen ehrenvollen Titeln nicht bedacht worden! Unsinn, Zar Iwan hätte ihn gern auf Kohlen geröstet und mit eigener Zarenhand den Schürhaken bewegt. Heilige Psalmen hätte er gesungen, während er sich im Feuer gedreht haben würde. Doch Boris vergibt einem unwürdigen Diener, weil sein Rat benötigt wird. Der Opernbesucher wird bemerken, dass der Zar sich daneben benimmt und nicht besonders geschickt taktiert. Auf solche Weise schaffen Herrscher sich Todfeinde.

 

Welche Nachricht bringt der erste Minister? Die Gefahr kommt aus Polen, ein Usurpator naht. Der König, der Adel und der Papst stehen hinter dem Aufrührer. Doch Zar Boris soll sich nicht ängstigen. Jedes russische Herz ist ihm in Liebe zugewandt und alle scharen sich fest und treu um seinen Thron. Es ist leicht, den dummen Pöbel aufzuwühlen. Jedem albernen Gerücht läuft er hinterher, doch für die Wahrheit hat er taube Ohren.

 

Trotzdem verzehrt Sorge das Herz des unwürdigen Dieners. Was soll geschehen, wenn morgen der Rebell mit seinem Gefolge die Grenze überschreiten wird?  Allein der Name Dimitrij lockt wie ein Zauber! Feodor ist neugierig und will wissen, ob dem Zarenreich Gefahr droht. Kinder dürfen in der Politik noch nicht mitreden. Der Zarewitsch wird zur Tür geleitet und hinter ihm abgesperrt.

 

Der Zar gibt Schuiskij den Befehl, die Grenzen nach Polen hermetisch abzuriegeln und wechselt das Thema. Ihn quält die Angst, dass der ermordete Zarewitsch überlebt haben könnte und ersucht Schuiskij die Tragödie von Uglitsch noch einmal zu erzählen. Wenn er die Unwahrheit sagt, droht ihm härteste Folter, dass selbst Zar Iwan sich vor Grausen im Grab umdrehen würde. Fürst Schuiskij denkt gar nicht daran, eine neue Version anzubieten. Doch seine Geschichte klingt dem Opernbesucher ganz anders, als der Mönch Pimen sie erzählte.

 

Verdient der treuergebene Diener etwa kein Vertrauen. Todesstrafe schreckt ihn nicht, Verlust seiner Glaubwürdigkeit träfe ihn viel härter. Also, im Dom zu Uglitsch ward der Leichnam des Zarewitsch Dimitrij fünf Tage lang aufgebahrt. Ringsum lagen noch 13 andere Kinderleichen, blutig, in Fetzen die Kleider, fürchterlich verstümmelt. An allen zeigte sich die Verwesung. Doch das Gesicht des Zarensohnes war unbeschadet und wie verklärt. Die Todeswunde klaffte jedoch fürchterlich und der Blutverlust war beträchtlich. Auf seinen Lippen spielte ein engelhaftes seltsames Lächeln. Es schien, als ob das Kind in seinem Bettchen läge. Boris reicht es. Schuiskij soll sich entfernen. Der Zar sinkt in einen Sessel und der Opernbesucher vernimmt die Arie: Oh ich ersticke! Der Atem geht mir aus... Der Himmel soll sich der Seele des Knechtes Boris erbarmen. Zaren können sehr sensibel sein, wenn sie vom Aberglauben geplagt werden und Gesichte haben. Mit der Liquidierung des kleinen Zaren erlosch die Dynastie der Rurikiden.

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Dritter Aufzug:

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VIERTES BILD

Die schmeichlerischen Loblieder auf ihre Schönheit will Panna Mnischek von ihren Hofdamen überhaupt nicht hören. Ob am Ufer der Weichsel im Schatten der Weiden süß duftende Weißblümlein blühen, ist Marina egal. Sie ist die Tochter des Wojewoden von Sandomir und hat ehrgeizige Pläne. Als Zarin will sie auf dem Thron von Russland sitzen, denn ihr Herz gelüstet nicht nach Liebe, sondern nach Macht. Die vielen edlen Herrn, die um sie werben, sind ihr genau so gleichgültig wie die Gänseblümchen an den Ufern der Weichsel. 

 

Auserwählt hat die Ehrgeizige einen entlaufenen ehrgeizigen Mönch, der es als „falscher Dimitrij“ versteht, die Massen des Volkes hinter sich zu bringen. Er gibt sich als Sohn des vorletzten Zaren aus und erhebt Anspruch auf den Thron. Der Gaukler soll ihr als Instrument dienen, und sie sieht keine Hindernisse, ihn mit Liebesbanden zu umstricken. Die Mädchen sollen Heldenlieder singen von Polens Größe, von tapferen Polenjungfrauen und von geschlagenen Polenfeinden, so wie sie die Strophen aus ihrer Kindheit kennt.

 

Rangoni, ein verschlagener Jesuit, möchte die Macht seiner Kirche ausweiten und versucht Einfluss auf die ehrgeizige Marina zu nehmen. Sie soll den Moskowiten das Heil bringen, damit die Engel im Himmel sie als Heilige Marina preisen können. Missionstätigkeit sei nichts für ihre flatterhafte sündige Seele, doch der Mann Gottes lässt nicht locker. Er gibt professionelle Anweisung, wie Panna Mnischek taktieren soll.

 

Mit heißem, flammenden, glühenden Liebeswort soll sie Leidenschaft in ihm wecken, mit ihrem Zauberblick und ihrem Lächeln soll sie seinen Verstand berücken, selbst wenn die Tugend dabei auf der Strecke bleibt. Bisweilen soll die Verführerin sich zornig stellen, dann wieder launisch. Sie soll das Schmeicheln nicht vergessen und auch nicht die süße Zärtlichkeit. Umgarnen und bestricken soll sie ihn und wenn er ermattet ihr zu Füßen sinkt und auf ihre Wünsche wartet, dann soll Marina ihn schwören lassen, als zukünftiger Herrscher den Belangen der römischen Kirche den Vorrang einzuräumen. Fein ausgedacht!

 

Als ob Marina nicht selbst wüsste, wie man Männer einfängt! Seine arglistigen Äußerungen hat sie durchschaut und fordert ihn auf, seine überflüssige Beratung einzustellen. Der Mann der Kirche droht mit höllischem Feuer, wenn sie sich seinen Wünschen nicht gefügig erweist. Höllengeister sollen ihr mit teuflischem stolz den Geist verwirren. Mit seinem geistigen Auge sieht er, wie Satan selbst auf Flügeln aus der Hölle heran naht und über ihrem Kopf schwebt. Ihm, dem Boten des Herrn hat sie zu gehorchen und sich ihm mit Leib und Seele zu ergeben in Gedanken und in ihren geheimen Wünschen. Einer solchen Attacke der Gewalt ist Panna Mnischek nicht gewachsen. Sie stößt einen spitzen Schrei aus und sinkt zu Füßen des dämonischen Mönchs nieder.

 

FÜNFTES BILD

Geheuchelte Demut und unverhohlenen Machtanspruch miteinander zu kombinieren, ist das Problem mit welchem Rangoni nicht fertig wird. Zu völlig unpassender Zeit versucht er abends im Garten des Schlosses von Sandomir, den „falschen Dimitrij“ abzupassen, der jedoch auf das Stelldichein mit Marina fixiert ist. Hoffentlich hat das leichtbeschwingte weiße Täubchen ihren Falken nicht vergessen. Die Angebetene soll seiner Herzenspein süße Linderung verpassen.

 

Statt Marina erscheint Rangoni, der vorgibt, der Polenfürstin väterlich verbunden zu sein und ihre intimen Herzensgeheimnisse zu kennen. Viel Spott habe sie seinetwegen schon erdulden müssen - den hämischen Neid der Frauen und das bösartige Zischeln der Galane. Dimitrij lässt den Jesuiten fühlen, dass er ihn nicht ausstehen kann, weil ihm sein verlogener Charakter zuwider ist. Trotzdem erzählt er ihm aus Unachtsamkeit, dass er Marina vor dem russischen Volk erheben und auf den Zarenthron setzen will. Sicher sei er ihrer Liebe nicht würdig, aber Rangoni zerstreut mit gleißenden Worten seine Bedenken. Der heilige Ignaz wird ihn bei seinen Bemühungen unterstützen, wenn er der Polenfürstin seine heiße Liebe gesteht und sie flehentlich bittet, sein Weib zu werden. Schon jetzt versucht Rangoni, ein frommer demutsvoller Diener des himmlischen Herrn, der stündlich an das Wohl des lieben Nächsten denkt und an die ewige Vergeltung beim jüngsten Gericht auch, seine Position als erster Berater des zukünftigen Zaren zu sichern.

 

Die Gäste lassen Marina als zukünftige Zarin hochleben. Dimitrij entzückt von ihren weiblichen Reizen, sieht sie in erster Linie als Frau, während die stolze Marina ihm ganz kalt sagt, dass sie ohne die goldene Zarenkrone nicht zu haben ist. Dimitrij kritisiert ihre kühle Berechnung, worauf Marina sich entschuldigt. Beide können ihren Dialog nicht koordinieren, man verschaukelt sich gegenseitig und was bleibt ist lediglich hoffnungsvolle Erwartung. Nach dem Stand der Dinge ist Dimitrij jetzt in Zugzwang, mit dem Heer nach Moskau zu eilen, um den Zarenthron in Besitz zunehmen, damit Marina endlich auf ihm sitzen kann, so wie sie es ihrem Gefolge in Aussicht gestellt hat. Rangoni beobachtet beide bei ihrem feurigen Liebeskuss und freut sich, dass seinen Ränken im Moment wenigstens ein kleines Erfolgserlebnis beschieden ist.

Vierter Aufzug

SECHSTES BILD
Das Volk hat in Erfahrung gebracht, dass der falsche Dimitrij mit einem Heer Unzufriedener und Angeworbener gegen Moskau zieht. Die Menge ist sich uneins, ob sie sich das Ableben von Boris wünschen soll, damit durch einen Regierungswechsel sich das Elend verringert. Ebenso wenig ist man sich über die Legitimation des herannahenden Dimitrij einig. Wird dieser unerfahrene Neuling dem Volk das Überleben sichern? Von einem Schwachsinnigen, der Boris an seine Untaten erinnert, fühlt sich der Zar irritiert, nachdem dieser sich weigert, für ihn zu beten.

 

SIEBTES BILD

In Abwesenheit wird der falsche Dimitrij zum Tode verurteilt. Der Ankläger Schtschelkalow plädiert auf Hochverrat, weil der Beschuldigte sich widerrechtlich als Zarensohn ausgebe und Aufruhr anzettele. Unterstützt würde er dabei durch litauisches Gesindel, welches illegal die Grenze überschreite.

 

Sobald man ihn eingefangen hat, soll der Scharlatan den Foltertod sterben. Der Leichnam wird am Schandpfahl aufgespießt, damit alle sehen können, wie es Verrätern ergeht. Seine Asche soll verflucht und in alle Winde zerstreut werden. Die Bojaren begrüßen den Ausgang des Prozesses und sind sich mit der Prozedur was dem Übeltäter - sobald man ihn erst hat - geschehen soll, vollkommen einig.

 

Dem Fürsten Schuiskij unterstellt man Volksverhetzung wegen seines unsinnigen Ausführungen vom möglichen Überleben des Zarewitsch. Mit gewohnter Geschicklichkeit gelingt dem geübten Intriganten der Schachzug, dem regierenden Zaren die Mündigkeit abzusprechen. Von seinen Halluzinationen, von einem toten Kind an seine Missetat erinnert zu werden, weiß Schuskij anschaulich zu berichten.

 

Zu allem Überfluss tritt auch noch Pimen auf, der von Wundern am Grabe des toten Zarewitsch berichtet. Gott habe ihn zunächst in ein Engelchen verwandelt und nun sei er wieder als Wundertäter auf die Erde zurückgekehrt. Da er offenbar an seine Geschichte selbst glaubt, ist seine Wirkungskraft auf den Zaren überwältigend. Dieser erleidet eine Herzattacke und während der Leibarzt unterwegs ist singt Boris Godunow seinen großen Monolog, auf den der Opernbesucher schon die ganze Zeit gewartet hat.

 

Der Zar veranlasst die Höflinge den Raum zu verlassen und ihm ein Bußkleid herbeizuschaffen. Von seinem Sohn möchte er Abschied nehmen, denn er sieht sein Ende nahen. Ebenso rücksichtslos wie unbeabsichtigt wird der Heranwachsende jetzt erst einmal gründlich eingeschüchtert: Der heißgeliebte Spross wird der neue rechtmäßige Zar sein. Es soll nicht fragen, wie der Vater an die Pelzkrone gekommen ist. Die Regierungszeit beginnt mit einer schweren Last und so sieht die Bilanz aus: Der falsche Dimitrij hat einen beachtlichen Zulauf und ist stark. Die Bojaren haben nur Verschwörung im Kopf. Im Heer gibt es Verrat. Das Volk leidet unter Hunger und Pestilenz. Litauen möchte sich Mütterchen Russland einverleiben. Strenges Gericht soll der neue Zar halten und Landesverrat unverzüglich und hart bestrafen! Der Hüter des rechten Glaubens soll er sein und charakterlich sauber bleiben, weil davon Macht und Kraft abhängen. Sein Schwesterlein Xenia, die reine Taube, soll Feodor beschützen und Wächter ihrer Ehre sein. Mit ihren Fittichen sollen die Engel des Himmels seine Nachkommenschaft vor aller Not behüten.

 

Die Totenglocke bimmelt bereits, als der Zar sich die Mönchskutte überzieht, um in diesem Büßerkleid sein Leben unter der drückenden Last von Schuld und Unvermögen auszuhauchen. Der Anstrengung, dem aufmerksam zuhörenden Opernpublikum Mussorgskis gewaltigen Abschiedsmonolog zu Gehör zu bringen, überstieg seine Kräfte und die umstehenden Bojaren stellen den Tod fest.

 

LETZTES BILD

Missail und Warlaam finden sich wieder ein und stellen fest, dass Sonne und Mond sich verfinstert haben und die Sterne alle untergegangen sind. Des Zaren schwere Missetat sei schuld daran. Sie machen Stimmung zu Gunsten des neuen Zaren Dimitrij. Es ist ein Leichtes, die unzufriedene und aufgebrachte Menge aufzuhetzen. Auf geht es zum goldenen Kreml. Heil dem neuen Zaren! Das letzte Wort im Spiel von Schuld und Macht hat jedoch der Gottesnarr. Der Feind kommt bald und Finsternis senkt sich herab auf das Vaterland. "Weine, weine, du hungerndes Volk der Russen!"

 

Anmerkungen:

Das Libretto zu Boris Godunow wurde aus der Vorlage von Puschkins Drama vom Komponisten selbst entworfen. Man kann es schlicht und einfach als genial bezeichnen. Die oftmals vorgetragene Ansicht, es handele sich lediglich um eine lose Zusammenknüpfung zu einem bunten Bilderbogen ist irrig. Jedes neue Bild entsteht aus der Konsequenz des vorangegangenen. Sogar die Liebesgeschichte zwischen Dimitrij und Marina auf Schloss Sandomir in Polen ist historisch verbürgt.

 

Komponisten wie Rimsky-Korrsakow und Schostakowitsch haben es sich nicht nehmen lassen, die Partitur - wenn auch in wohlwollender Absicht - zu bearbeiten. In heutiger Zeit müssen keine „Schroffheiten“ mehr geglättet werden, weil man sich an extremere Klangbilder gewöhnt hat. Die Opernhäuser sind wieder dazu übergegangen, die Originalfassung zu spielen. Die großen slawischen Bassisten wie Schaljapin, Christoph und Ghiaurov haben die Partie des Boris eindringlich charakterisiert.

 

Der Vorläufer

Bevor Modest Mussorgsky sein Historiengemälde entwarf, gab es schon einmal einen ‚Boris Goudenow’ des Komponisten Johann Mattheson (1681-1764). Die Handlung schildert den Zeitraum, bevor Boris die Zarenkrone erlangte und noch Statthalter von Moskau war. Der amtierende Großfürst heißt Theodorus Iwanowitz und Boris ist sein Schwager. Am Zarenhof tummeln sich drei Liebespaare wie am Hof von Persepolis und die Politik wird wenig ernst genommen. Die Oper endet mit der Krönung von Boris Goudenow und führt den Untertitel ‚Der durch Verschlagenheit erlangte Thron. Eine Uraufführung gab es erst in jüngster Zeit, konzertant in Hamburg, szenisch in Boston.

 

Die Zeit danach:

Antonin Dvorak knüpft in seiner Oper „Dimitrij“ den nicht abgeschlossenen Handlungsfaden zu Ende. Die Historie berichtet, dass nach einem Bürgerkrieg der falsche Dimitrij und Marina den Zarenthron besteigen, aber nie gekrönt werden. Fürst Schuiskij, ursprünglich den beiden gewogen, macht dem Spuk am Tage ihrer Hochzeit ein Ende und beseitigt den Emporkömmling. Als Wassilij IV regiert er als Zar in einer Zeit der Wirren von 1606-1610. Die Dynastie der Romanows prägt ab 1613 langfristig das Bild der russischen Geschichte.

 


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Musirony 2007 - Engelbert Hellen

 

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